Bochum. . Wer in Bochum eine Psychotherapie benötigt, muss bis zu sechs Monate auf einen Platz warten. „Ein Skandal“, prangert LWL-Klinikchef Juckel an.
In Bochum herrscht ein massiver Mangel an Psychotherapeuten. Das beklagt der Leiter der LWL-Klinik, Prof. Georg Juckel (56). Der Facharzt spricht von einem „Skandal“.
Die monatelangen Wartezeiten auf einen Therapieplatz hätten mitunter schreckliche Folgen: „Bei schnellerer Hilfe könnte mancher Selbstmord verhindert werden.“
Rund 100 niedergelassene Psychotherapeuten praktizieren in unserer Stadt. Damit werde die in der bundesweiten Bedarfsplanung vorgegebene Zahl der Kassenzulassungen sogar übertroffen, erklärt Dr. Eckhard Kampe, Bezirksleiter der Kassenärztlichen Vereinigung, und konstatiert: „Bochum ist ausreichend besetzt.“
Therapeuten müssen Sprechstunden anbieten
Tatsächlich habe sich in den vergangenen Jahren etwas bewegt, sagt Prof. Juckel. „Lange war das Mittlere Ruhrgebiet dramatisch schlechter ausgestattet als andere Regionen, etwa München oder Münster.
Das hat historische Ursachen, nach dem Motto: Bergleute brauchen keinen Psychiater“, so der Klinikchef. Doch: Während die Zahl der psychisch Kranken stark gestiegen ist, sei es um ihre Versorgung nach wie vor schlecht bestellt – und das, obwohl die Ruhr-Uni u.a. mit ihrem Zentrum für Psychotherapie und die LWL-Klinik vor Ort einige Spitzen auffangen.
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Der Gesetzgeber hat reagiert. Seit 2017 muss jeder Therapeut feste Sprechstunden vorhalten. Patienten sollen so zeitnah ein erstes Gespräch führen können. „Wie versprochen, erhält man innerhalb einer Woche Antwort“, berichtet Sabine Schemmann (55), Vorsitzende des Bündnisses gegen Depression. „Bis zum eigentlichen Termin dauert’s dann aber vier, fünf Wochen. Katastrophal! Und einen Therapieplatz hat man dadurch noch lange nicht.“
Dafür, beobachtet Juckel, betragen die Wartezeiten drei bis sechs Monate, „bei einer Psychoanalyse für schwere Fälle zwei Jahre“. Immer mehr Therapeuten hätten inzwischen sogar ihre Wartelisten abgeschafft.
LWL-Ambulanz ist überlastet
Wie KVR-Bezirkschef Krampe hält Juckel die Sprechstunden gleichwohl für wichtig. Zwar müsse es mittelfristig zur Aufstockung der Kassenzulassungen kommen. Der Kontakt zu einem Experten – „das kann auch der Haus- oder Nervenarzt sein“ – sei jedoch gerade bei seelisch belasteten Menschen von großer Bedeutung, um die Zeit bis zur Therapie zu überbrücken.
Entlastet würde so auch die LWL-Klinik. Hunderte Anrufe gehen täglich in der Ambulanz (0234/50 77 11 90) ein. Zwei Mitarbeiter sitzen am Telefon. Dennoch müssen sich viele Ratsuchende mit dem Anrufbeantworter begnügen. Eine Lösung: Künftig soll es mehr E-Mail-Auskünfte geben.