Bochum. Das Team, das den RS1 plant, sitzt bei Straßen NRW in Bochum, direkt an der A40. Im Alltag sind die Planer selten mit dem Rad unterwegs – noch.

Wo der Radweg der Zukunft entsteht, NRWs aktuelles Vorzeigeprojekt RS1, ist von Fahrrädern wenig bis gar nichts zu sehen. Doch genau hier, im Gebäude von Straßen NRW, an die A40 geschmiegt, mit Blick auf die vorbeirauschenden Autos und Lkw, sitzt das Team, das seit Ende 2016 einen Weg durchs Ruhrgebiet baut, der landläufig gern als Radautobahn bezeichnet wird.

Weil es eben bisher immer nur die Autos waren, denen man glatte, kreuzungsfreie Trassen anbot, damit ihre Fahrer möglichst schnell von A nach B kommen können. Mit dem RS1 wird das anders. Weil es aber erst wird und noch nicht so richtig ist, kommt aus dem Team, das den Radschnellweg plant, niemand mit dem Rad zur Arbeit. Und schließlich wird man in einer Behörde nicht unbedingt aus Leidenschaft zum Radwegeplaner – man wird zugeteilt.

Defizite auf Alltagsrouten

Trotzdem würde Projektleiter Sebastian Artmann (34) seinen Arbeitsweg von Oer-Erkenschwick nach Bochum durchaus mit dem Rad zurücklegen. „Aber wir haben hier im Ruhrgebiet ein Defizit, was Alltagsrouten für den Radverkehr angeht. Die Entfernung ist nicht das Problem.“

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Auch Peter Sasse (42), in der RS1-Planung für umweltrelevante Fragestellungen zuständig, nutzt das Rad zwar gern in der Freizeit, nicht aber im Alltag, wo man auf den Straßen schnell das Gefühl bekomme: „Fahrradfahrer sind nicht erwünscht.“ Ganz ähnlich sieht es seine Kollegin Katharina Gille (28).

Vergleichbares gibt es in Deutschland nicht

Hier sind also keine Fahrradfreaks am Werk, sondern recht durchschnittliche Radler, die eine Fahrradschnellstraße für durchschnittliche Radler planen – und für solche, die es vielleicht noch nicht sind, durch das bessere Angebot aber werden könnten. Eigentlich ist der RS1 für das Team der Behörde „ein Projekt wie andere auch“, so Artmann: „Im Prinzip unterscheidet sich die Planung eines Radschnellweges nicht von der Autobahnplanung.“ Und doch ist das Vorhaben ungleich spezieller, weil es in Deutschland bisher nichts Vergleichbares gibt. In- und Ausland blicken auf den RS1.

Nicht nur diese Aufmerksamkeit von allen Seiten macht den Reiz für die Planer aus, sondern die vielen denkbaren Möglichkeiten: Was wird dort passieren, wo die Infrastruktur fürs Fahrrad plötzlich mit der fürs Auto mithalten kann? Werden sich immer mehr Menschen aufs Rad schwingen, auf Alltagsrouten Bahn und Fahrrad kombinieren? Könnte der Radverkehr mancherorts gar zur echten Alternative werden? Auch angesichts eines ÖPNV, der, so sieht es zumindest Peter Sasse, „hier im Ruhrgebiet nicht hergibt, was er hergeben könnte“?

Im Essener Bereich prognostiziert man für den RS1 derzeit 3000 bis 4000 Radfahrer täglich, im Raum Gelsenkirchen 2000 bis 3000, in Randbereichen wie im Kreis Unna 1000 bis 2000.

Radeln soll bequemer werden

Noch hindere die Bequemlichkeit viele Menschen daran, mit dem Rad zur Arbeit oder zum Einkaufen zu fahren, sagt Katharina Gille. Was aber, wenn auch Radfahren bequemer wird? Dazu aber, da sind sich die drei einig, „muss noch einiges passieren“. „Lange ist es im Straßenverkehr so gehandhabt worden: Zuerst wird der Kfz-Verkehr abgewickelt, dann wird der Radweg noch irgendwie dran gepresst“, sagt Sebastian Artmann. Das RS1-Team jedoch darf den Autoverkehr hinten anstellen und sich vorrangig nach den Begehrlichkeiten des Radverkehrs richten. Holen sie sich dafür auch Inspiration? Vielleicht in Kopenhagen, das als fahrradfreundlichste Stadt der Welt gilt?

„So romantisch wie man sich das vorstellt“ sei das Ganze nicht, sagt Artmann, „wir sind ja nicht Projektvater“. Ursprünglich wurde das Vorhaben durch den RVR auf den Weg gebracht. Dort habe man sicherlich nach vielerlei Inspiration gesucht, „aber wir hier sind an Richtlinien gebunden“.

Planung erntet großen Zuspruch

Das heißt: Es gibt Standards, die einzuhalten sind, die den Rahmen der Planung vorgeben. Rechtliche Voraussetzungen, die zu berücksichtigen sind. Und die teilweise ganz neu miteinander in Einklang gebracht werden müssen. „Dadurch, dass alles so neu ist, gibt es natürlich kein einheitliches Regelwerk“, erklärt Artmann.

Es sei schwierig, den Menschen zu vermitteln, dass 100 Kilometer Radweg nicht „in null Komma nichts“ zu planen seien. Denn anders als Kollegen, die bei Bürgerversammlungen manche Straßenbauvorhaben rechtfertigen müssen, haben Artmann und seine Kollegen von Anfang an nur Zuspruch erlebt. Allerdings auch einen gewissen öffentlichen Druck, der so ganz anderer Natur ist, als Autobahnplaner ihn kennen: „Es heißt nicht mehr: ,Was machen Sie denn da schon wieder?’, sondern: ,Wann sind Sie damit endlich fertig?’“.

>>> STRECKE IST IN ABSCHNITTE AUFGETEILT

Um an vielen Stellen parallel arbeiten und das ganze Vorhaben beschleunigen zu können, hat man den RS1 in Abschnitte aufgeteilt und einige in die Obhut der Städte gegeben.

So planen und bauen Duisburg, Bochum, Dortmund und künftig auch Hamm komplett selbst und erhalten dafür vom Land Ausgleichszahlungen.