Bonn/Essen. In Essen wird es keinen Test für einen komplett kostenlosen öffentlichen Nahverkehr geben. Die fünf ausgesuchten Modellstädte halten die Idee für unrealistisch.

Die Stadt Essen wird doch keinen kostenlosen Nahverkehr anbieten. Dies sei kurzfristig nicht umsetzbar, erklärte Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen nach einem Treffen in Bonn mit den Oberbürgermeistern der anderen vier Städte Bonn, Mannheim, Reutlingen und Herrenberg, die von der Bundesregierung mit Essen als Test-Städte für bessere Luft auserwählt worden sind. In einem Schreiben der Bundesregierung an die Europäische Kommission war ein möglicher Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr in diesen Städten angesprochen worden.

Kostenloses Fahren mit Bus und Bahn sei so schnell nicht möglich

Auch OB Kufen hatte diese Idee zuerst als „sehr verlockend“ genannt, gleichzeitig aber die Frage der Finanzierbarkeit und Machbarkeit gestellt.

Letzteres scheint zumindest schon klar. Kostenloses Fahren mit Bus und Bahn sei so schnell nicht möglich. Essen und die anderen vier „Lead Cities“ sollen sich jetzt vielmehr auf Maßnahmen und Projekte konzentrieren, die 2018 und 2019 umgesetzt werden können“, sagte der OB dieser Zeitung. Und die sollen bereits kurzfristig zu einer Verringerung der Luftbelastung führen. Mögliche Projekte könnten eine Förderung für Diesel-Besitzer sein, die ihren Wagen nachrüsten oder finanzielle Anreize für Essener, die ihr Auto abmelden und auf Bus und Bahn umsteigen.

Das könnten Rabatte, aber auch zeitlich befristete kostenlose Angebote sein, so der OB. Bis Mitte März will Essen der Bundesregierung eine Vorschlagsliste präsentieren. Kufen: „Ich bin nach dem Gespräch sehr optimistisch.“

Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Fahrverbote für Diesel

Die EU macht Druck auf Deutschland wegen einer hohen Luftbelastung in vielen Städten mit gesundheitsschädlichem Stickoxid, das vor allem aus Dieselabgasen stammt. An diesem Dienstag will das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden, ob nach aktueller Rechtslage Fahrverbote für Diesel möglich wären.

Die fünf Modellstädte zeigten sich am Montag entschlossen, dem Bundesumweltministerium bis Mitte März Vorschläge für eine bessere Luftqualität zu machen. Es gehe vor allem darum, Diesel-Fahrzeughalter zum Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr zu bewegen, aber nicht darum, den ÖPNV kurzfristig kostenfrei zu machen, sagte die Oberbürgermeisterin von Reutlingen, Barbara Bosch (parteilos). Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte, aus Sicht der Bundesregierung sei ein Test mit kostenlosem Nahverkehr noch nicht vom Tisch. Es sei nicht auszuschließen, dass noch eine Kommune einen entsprechenden Vorschlag einbringen werde.

Der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) sagte, er sei zuversichtlich, dass im Schulterschluss mit Landes- und Bundesregierung kurzfristige Maßnahmen gelingen und Fahrverbote verhindert werden könnten. Beim Diesel sehe er vor allem die Autoindustrie in der Pflicht. Kostenloser Nahverkehr bedeutet nach Kufens Worten letztlich: "Es muss jemand anders bezahlen.

Bundesregierung plane weiterhin "blaue Plakette"

Der Bonner OB Ashok-Alexander Sridharan betonte, das Gespräch am Montag sei sehr konstruktiv gewesen, wenn viele Fragen auch offen geblieben seien. "Das war nur ein erster Aufschlag." Die Bundesregierung habe zusätzliche Mittel zugesagt.

Das Bundesumweltministerium stellte klar, es sei nie geplant gewesen, dass alle fünf Städte einen kostenlosen Nahverkehr testen sollten, sondern nur "ein oder zwei". Das Thema Gratis-ÖPNV sei nur eines von mehreren. Eine andere Idee sei zum Beispiel eine stärkere Nutzung von E-Bussen. Die EU-Kommission entschied am Montag, dass Deutschland Elektrobusse und Ladestationen in Städten mit 70 Millionen Euro fördern darf.

Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums betonte am Montag in Berlin, dass die Bundesregierung zwar punktuelle Fahrverbote ermöglichen wolle, aber weiterhin keine "blaue Plakette" plane, auch keine "blaue Plakette light". Es gehe vielmehr um "passgenaue, maßgeschneiderte Lösungen" für "hochbelastete Strecken". (mit dpa)