Essen. Das Eisenbahnrecht bremst den Lückenschluss des Radschnellwegs im Essener Eltingviertel aus. Nun soll die Radtrasse über Dächer führen.
- RS 1 bleibt in Essen erst einmal Stückwerk. Lückenschluss im Eltingviertel verzögert sich um Jahre
- Bahndamm muss umgewidmet werden, neuer Gleisanschluss für Evonik nötig. Auch für provisorische Trasse
- Umbau des Bahndamms zur Radtrasse dauert drei Jahre. Politik favorisiert Trasse durch neue Bebauung
Der Radschnellweg RS 1, immerhin ein bundesweites Vorzeigeprojekt in puncto zukunftsweisende Mobilität, bleibt in Essen bis auf weiteres Stückwerk. Denn bis Radfahrer auf der Trasse durchs Eltingviertel am Viehofer Platz radeln können, werden noch Jahre vergehen. Diese Erkenntnis nahmen am Donnerstagabend rund 120 Zuhörer aus der Kirche St. Gertrud mit, wo Vertreter der Stadt und von Straßen NRW über den Stand der Planungen informierten.
Der Landesbetrieb wartet auf Baurecht, um den Radschnellweg über die Gladbecker Straße hinaus fortzuführen; derzeit endet die Trasse im Universitätsviertel. Der Haken: Der ehemalige Bahndamm der Rheinischen Bahn, der das Eltingviertel von der Innenstadt trennt, muss zunächst planerisch entwidmet werden. Im Raum stehe ein zeitaufwendiges „eisenbahnrechtliches Planfeststellungsverfahren“, sagte Christian Neumann, Leiter der Planungsabteilung von Straßen NRW. Hintergrund: Bevor die Gleise entfernt werden können, muss ein neuer Gleisanschluss an das Betriebsgelände von Evonik an der Goldschmidtstraße her. In Zukunft sollen Güterzüge das Werk aus Richtung Osten direkt anfahren können. Noch rollen sie daran vorbei bis auf den Bahndamm im Eltingviertel. Dort wechseln sie das Gleis und fahren wieder zurück. Nur so kommen die Waggons überhaupt aufs Werksgelände.
Stadt Essen warnt vor einer provisorischen Lösung
Die Radfahrer-Lobby macht sich deshalb für eine provisorische Radtrasse über den Bahndamm stark. Doch auch dafür müsste das „eisenbahnrechtliche Problem“ gelöst werden, wie Straßen NRW betont. Der Leiter des Stadtplanungsamtes, Ronald Graf, warnte vor einer Zwischenlösung: „Nichts ist bekanntlich so dauerhaft wie ein Provisorium. Das können wir uns als Stadt Essen nicht erlauben.“
Straßen NRW will erst bauen, „wenn alle Probleme gelöst sind“. Erst dann soll auch die Radbrücke über die Gladbecker Straße errichtet werden. Drei Jahre würde der Landesbetrieb nach eigenen Angaben für den Bau der Radtrasse durchs Eltingviertel benötigen. Der Bahndamm würde dafür zu beiden Seiten der Trasse abgetragen. Die Politik tendiert zu einer städtebaulich anspruchsvolleren Lösung: Der Bahndamm würde komplett verschwinden, der Radschnellweg in eine zu errichtende Wohnbebauung integriert. Die Trasse würde über Dächer führen, eventuell auch durch Gebäude hindurch. Der Investor würde nicht nur 300 Wohnungen bauen, sondern auch die Radtrasse.
Laut Ronald Graf ist die Stadt bei potenziellen Investoren „auf sehr großes Interesse“ gestoßen. Arnd Fittkau, Geschäftsführer des Wohnungsunternehmens Vonovia, lässt sich auf Anfrage dieser Zeitung dazu wie folgt zitieren: „Wir sind im Eltingviertel ja sehr stark engagiert und können uns auch vorstellen, in dieses Projekt zu investieren.“ Abhängig sei dies von der „finalen Planung“ und der daraus resultierenden Wirtschaftlichkeit.
Details würden im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens geklärt. Auch die Frage, ob die Bebauung das Binnenklima negativ beeinflussen könnte, wie Teilnehmer der Bürgerversammlung befürchteten, werde dann geprüft. Radfahrer äußerten zudem die Sorge, es könnten „Angsträume“ entstehen, müssen sie durch Gebäude hindurch radeln. Die Stadt sagte zu, auch dies bei den Planungen zu berücksichtigen.
Fertigstellungs-Termin 2020 ist nicht zu halten
Weder die Vertreter der Stadt noch die des Landesbetriebes wollten sich jedoch festlegen, wann die Radautobahn durchs Eltingviertel führen wird. Die Machbarkeitsstudie des Regionalverbands Ruhr (RVR) habe andere Erwartungen geweckt, räumte Planer Christian Neumann ein. Die Studie nennt 2020 als Fertigstellungstermin. Dieser ist nicht zu halten.