Grumme. . Ruth Joachim (87) engagiert sich seit 30 Jahren ehrenamtlich im Stadtteilladen. Regelmäßig kocht sie für die Gäste des Mittagstischs.

Alle lieben Ruth Joachim. Sie ist so etwas wie die gute Seele des Stadtteilladens, in dem sie sich seit 30 Jahren engagiert. Sie kümmert sich um die Kleinsten, strickt Kindersachen, deren Verkaufserlös den Jugendtreff „Sit Down“ unterstützt. Vor allem aber steht sie für die Gäste des Mittagstischs am Herd. „Ich koche grundsätzlich nur das, was ich selbst gern esse“, sagt die 87-Jährige. Und das schmeckt den Gästen ebenso.

„Der Laden“, so scherzt sie, „ist mein viertes Kind – ein Junge, denn ich habe drei Töchter“. Gern würde sie auch noch im Begegnungscafé für Flüchtlinge mithelfen, doch das findet immer erst abends statt, und dann ist sie zu müde.

Heimweh bekommen

Bis vor 31 Jahren wohnte Ruth Joachim an der Oskar-Hoffmann-Straße. Als ihr Mann verstarb, lockte ihre Tochter sie in ihre Nachbarschaft nach Grumme. Doch dann bekam die junge Witwe Heimweh. Weil sie schon immer Kirchgängerin war, besuchte sie die Johanneskirche und lernte dort Pfarrer Johannes Rottmann kennen. „Netter Kerl. Er erzählte mir von der Stadtteilarbeit damals noch im Kirchencafé. Ich hatte Langeweile, also ging ich hin.“ Wenig später – nach Umfragen mit Studenten der Fachhochschule (Motto: „Wo drückt der Schuh?“), wurde der Grummer Treff gegründet, und die erste Veranstaltung, so erinnert sich Ruth Joachim, war brechend voll.

Ladenzeile drohte der Abriss

Auch interessant

Der Treff diente damals nur der Unterhaltung, es gab Lesungen und Gesangstunden. Sie selbst spielte Theater und führte Sketche auf. Wo heute der Stadtteilladen ist, waren zu der Zeit noch wechselnde Geschäfte in dem Lokal. Als das letzte dicht machte, wollte die VBW eigentlich die ganze Ladenzeile abreißen. Das konnte Pfarrer Rottmann verhindern und gleichzeitig das Wohnungsunternehmen für seine Idee begeistern, dort einen Bäckerei-Shop mit Café zu betreiben. Fortan stand Ruth Joachim jeden Morgen ab 5 Uhr hinter dem Tresen, verkaufte Brot und selbst gebackenen Kuchen. Der neu gegründete Förderverein aber konnte den Laden nicht mehr halten. „Am letzten Tag stand ich im Laden und habe bitterlich geweint“, erklärt die gelernte Verkäuferin. Was bis heute blieb, ist das Café.

Zunächst vor allem Sozialberatung

In den Anfängen des neuen Stadtteilladens, damals halb so groß wie heute, war Ruth Joachim die einzige Ehrenamtliche. Er öffnete nur zweimal pro Woche, es gab vor allem Sozialberatung. Silke Neufeld, Geschäftsleiterin des Vereins „Leben im Stadtteil“, war als Sozialarbeit-Praktikantin dabei. Weil Ruth Joachim zu der Zeit noch Presbyterin war, hat sie Silke Neufeld kurzerhand eingestellt, als der Vorgänger ging. „Alle Ideen, alle Projekte, die seither hier in Grumme umgesetzt wurden, hat Silke entwickelt“, schwärmt sie. “

Die Grummerin liebt Menschen

So fröhlich die Rentnerin ist, ihr eigenes Leben war nicht leicht. Der erste Mann verbot ihr, arbeiten zu gehen und machte ihr das Leben schwer. Nach der Scheidung heiratete sie wieder. „Den zweiten Mann habe ich dann erst gar nicht mehr fragt.“ Sieben Jahre pflegte sie ihre an Alzheimer erkrankte Mutter – bis sie selbst nur noch 75 Pfund wog, „da mussten wir Mama ins Pflegeheim bringen“.

Verdienstorden des Landes

Sie engagiert sich ehrenamtlich, sagt sie, weil sie ihren Kindern nicht auf den Keks gehen will. Doch sie macht es in erster Linie, weil sie Menschen liebt. Ruth Joachim wurde 2017 für ihre Hingabe mit dem Verdienstorden des Landes ausgezeichnet.

„Ich sorge gern für unsere Senioren.“ Von denen kommen viele regelmäßig zum Mittagstisch. Vor allem Alleinstehende genießen das Essen in Gemeinschaft. Dabei kocht Ruth Joachim immer reichlich: „Ich habe immer Angst, die werden sonst nicht satt.“