Bochum. Beim Tapezieren geht’s für Hannes Kuriewicz um jeden Millimeter. Davon konnte sich die Redaktion beim Arbeitseinsatz in Wiemelhausen überzeugen.

Am Morgen ist der Kleister weg. Einfach verschwunden. Dabei schwört Mutter Susan Stein und Bein, dass sie den Kleber am Vortag im Baumarkt gekauft und auch eingepackt hat: „Ich bin ja nicht doof!“

Gut, dass die Kuriewiczs so engmaschig vernetzt sind. Kurzerhand wird die Whatsapp-Gruppe von Leos Kindergarten aktiviert. Eine Mama hilft mit einer XXL-Packung Vinyl-Spezialkleister aus. Die WAZ-Familie kann mit dem Tapezieren beginnen. Die WAZ-Redaktion leistet Unterstützung.

Die neue Couch kommt in vier Wochen

Es ist die erste Renovierung seit dem Einzug der Kuriewiczs 2014 in ihr Heim in Wiemelhausen. „Muss sein“, sagt Susan. Die Wohnzimmergarnitur „von anno tuck“, die sie damals aus Thüringen mitgebracht hat, ist reif für den Sperrmüll.

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Eine neue Couch ist bereits gekauft und wird in einem Monat geliefert. Türkis und in altenglischem Stil, ganz so, wie es Hannes Kuriewicz möchte. Dennoch bequem und fürs abendliche Familien-Fläzen geeignet, so wie es dem Rest der Sippe wichtig ist. „Ein Kompromiss. So wie alles bei uns.“

Papa ist ein Perfektionist

Neue Sitzmöbel. Heißt: Die alte Tapete muss runter. Bedeutet: Hannes muss ran. Für seine Liebsten eine wenig erquickliche Vorstellung. Dem 33-Jährigen eilt der Ruf des Perfektionisten voraus – der auch gerne mal unwirsch wird, wenn es nicht so klappen mag, wie es sich der Heimwerker vorstellt.

Redakteur Jürgen Stahl (li.) unterstützt die WAZ-Familie ebenso beim Renovieren wie Ruben Kuriewicz, der Bruder von Hannes (hier beim Muster-Abgleich).
Redakteur Jürgen Stahl (li.) unterstützt die WAZ-Familie ebenso beim Renovieren wie Ruben Kuriewicz, der Bruder von Hannes (hier beim Muster-Abgleich).

Vielleicht liegt’s an WAZ-Redakteur Jürgen Stahl, der samt Tapeziertisch zum Arbeitseinsatz anrückt, dass Hannes heute ruhig, fast schon gelassen bleibt. Nur das Penible, Pedantische: Das hat er tatsächlich drauf. Tags zuvor hat er die alte Tapete bis auf die letzten Faserfragmente abgeknibbelt („Das ist immer das Schlimmste“). Jeder Millimeter zählt auch, als es daran geht, die neuen Bahnen auf exakt 2,47 Meter auszumessen.

Susan ist fürs Zuschneiden zuständig

Das Zuschneiden überlässt er seiner Gattin. „Typisch“, grinst Susan. „Einer muss ja schuld sein, wenn’s schiefgeht.“ Teuer wär’s obendrein: Die Edel-Tapete ist von Versace. Ein Traum in Blau mit royalem Dekor. Dafür nicht eben billig.

Bryan und Leo schauen sich die Renovierungs-Aktion aus sicherer Entfernung an.
Bryan und Leo schauen sich die Renovierungs-Aktion aus sicherer Entfernung an.

Die Helferschar lichtet sich, bevor es richtig losgeht. Die drei Jungs Anthony, Bryan und Leo, anfangs noch durchaus interessiert, verkrümeln sich auf ihre Zimmer. Hannes’ Bruder Ruben (24), als Stuckateur ein Mann vom Fach, sucht nach kurzer Zeit gleichfalls das Weite.

Bleiben Hannes, Susan und der WAZ-Mann, die im Teamwork Bahn um Bahn auf die Wand bringen. Susan mit der Schere. Hannes mit Quast und Augenmaß. Der Redakteur mit Handbesen und Rolle zum blasenfreien Halt.

Jetzt fehlt nur noch die Bordüre

„Schön geworden“, strahlen die Eheleute, als das Werk vollbracht ist. Plötzlich sind auch die Jungs wieder da. Einträchtig begutachten die Kuriewiczs die sattblau schimmernde Wand. Der befürchtete Familienkrach ist ausgeblieben.

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Vor allem Hannes ist zufrieden mit sich und der Welt. Mag sein, dass eine gehörige Portion Glück mit im Spiel war. Aber die Tapete hat derart genau gepasst, dass es kaum Verschnitt gibt. Es bleibt sogar eine Rolle übrig. Den Kaufpreis wollen sich die Kuriewicz erstatten lassen, um mit dem Geld eine schmucke Bordüre zu kaufen.

Akribie bis zum letzten Schnipsel

Der Redakteur klappt seinen Tapeziertisch zusammen. Arbeitseinsatz beendet. Da schreckt Hannes doch noch einmal auf. Holt die Leiter. Und entfernt feierlich einen winzigen Tapetenschnipsel, den er oben auf der Versace-Pracht mit mikroskopischem Blick entdeckt hat und mit großer Geste wegzupft. „Pingel“, verdreht Susan die Augen. „Typisch“, lästern die Jungs.

Und bevor gleich noch einmal Susans mutmaßlich vergessener Kleister zur Sprache kommt, zieht der WAZ-Helfer von dannen.

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Er weiß, wie es geht: Christian Mohr ist Chef der Gerhard Mohr Malerwerkstätten an der Kohlenstraße mit 170 Mitarbeitern. Für die WAZ listet er die acht häufigsten Fehler beim Tapezieren auf.

1 Nicht übertapezieren: Alles, was sich irgendwie von der Wand ablösen lässt, muss runter. Wenn möglich, auch Raufaser auf Gips – „das ist das Schlimmste.“

2 Wasser allein reicht nicht: Die alte Tapete vor dem Abreißen perforieren (dafür gibt’s im Handel Walzen mit Stahlspitzen), ordentlich wässern und einwirken lassen – durchaus auch mehrere Stunden. Die Wände gut beispachteln und für einen glatten und sauberen Untergrund sorgen.

3 Hände weg von Billigware: Tapeten für drei Euro pro Rolle können nicht viel taugen. Qualitätstapeten sind auch an einem vernünftigen Beipackzettel zu erkennen. Auf die gleiche Chargennummer achten. Sonst können die Farben unterschiedlich ausfallen.

4 Kleistern, aber richtig: Die Kleisterschicht gleichmäßig, nicht zu dick, auf die zugeschnittenen Bahnen auftragen. Ganz wichtig: Den Kleber auf allen Bahnen gleich lang einziehen lassen, nicht bei einer kürzer, bei der anderen länger. Sonst droht Faltenwurf.

5 Mut zum Stoß: Tapeten werden heute in aller Regel nicht mehr überlappt, sondern auf Stoß geklebt. Die Ränder ausreichend einkleistern und fest andrücken. Sonst kann es zu Lücken kommen.

6 Vom Licht weg tapezieren: Heißt: An der Fensterfront mit dem Tapezieren beginnen und sich dann nach hinten vorarbeiten.

7 Raufaser keinesfalls direkt nach dem Tapezieren überstreichen: Damit sollte man mindestens bis zum nächsten Tag warten. Erst dann ist die Tapete ausreichend getrocknet.

8 Nach dem Tapezieren den Raum keinesfalls lüften: Die Fenster geschlossen halten und auch nicht auf Kipp stellen. Die Zugluft kann dazu führen, dass sich die Tapeten wieder ablösen.