Bochum. . Das Justizzentrum in Bochum ist offiziell eröffnet worden. Ex-Bundestagspräsident Lammert prangert in seiner Festrede Hasskommentare im Netz an.
Praktisch läuft der Betrieb bereits seit drei Monaten, aber seit Montag (29. Januar) ist das neue Justizzentrum auch offiziell eröffnet. Es ist, wie Landgerichtspräsident Hartwig Kemmer sagte, „das schönste und modernste Justizgebäude in Nordrhein-Westfalen“. Es sei „wertig, würdig und angemessen repräsentativ“.
Die Anzahl der Dienstwagen vor dem 146-Millionen-Euro-Neubau am Ostring war an diesem Montagmittag ziemlich groß. Hochrangige Amtsträger und Repräsentanten aus ganz NRW fuhren vor. Darunter war auch der ehemalige Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert (CDU). Er wie auch der an diesem Tage wieder zahlreich zitierte Herbert Grönemeyer - und übrigens auch Landgerichtspräsident Kemner – waren in der Jugend an derselben Stelle zur Schule gegangen, zum damaligen Gymnasium am Ostring. Heute ist die historische Fassade in einen Teil der Front des Justizzentrums integriert worden. Dahinter befinden sich das Arbeitsgericht, die Bibliothek, Ausbildungs- und Prüfungsräume sowie die Kantine, die jetzt Casino heißt.
Lammert nannte die Eröffnung des Justizzentrums „ein bedeutendes Ereignis für meine Heimatstadt“. Schließlich arbeiten dort 825 festangestellte Menschen. Hinzu kommen 340 Referendare, die dort ihre Ausbildung machen. Ein Großteil hatte sich zur Eröffnung in dem 28 Meter hohen Atrium, dem zentralen Hauptgebäude mit 30 ringsum angesiedelten Gerichtssälen, eingefunden. Auf allen drei Ebenen standen sie und blickten über die gläsernen Geländer hinweg auf die Festgäste und -redner.
„Haben einen beachtlichen Auftrag“
Lammert machte seiner Empörung über die massenhaften Hasskommentare in digitalen Medien Luft und nahm damit automatisch die anwesenden Staatsanwälte und Richter in die Pflicht. Was er in den „sozialen Medien“ an „Drohungen, Frechheiten, Unverschämtheiten“ und Verleumdungen lesen müsse, sei „jenseits meines Vorstellungsvermögens“. Und je absurder die Einträge seien, desto mehr Beachtung fänden sie. Aber weder dem Gesetzgeber noch der Rechtsprechung sei es gelungen, „die geltende Rechtsordnung dieses Landes durchzusetzen“. Lammert kritisierte, dass es gegen solche Kommentare lediglich „läppische Bußgeldurteile“ gebe oder die Verfahren eingestellt würden. Das kann auch als Appell an die Staatsanwälte und Richter gelten, künftig konsequenter durchzugreifen. „Da haben wir einen beachtlichen Auftrag.“ Lammert schloss mit den Worten: „Ich bedanke mich für die freundliche Vorladung. Es würde mich freuen, wenn der erste Auftritt hier zugleich mein letzter wäre.“
Zahlen rund ums Justizzentrum
Das neue Justizzentrum verfügt über eine Gesamtfläche von 34 000 Quadratmetern. Es besteht aus sechs Gebäudeteilen mit bis zu sechs Geschossen, die über das Erdgeschoss und teils auch über die Obergeschosse miteinander verbunden sind.
Es gibt 565 Büros. Im größten Sitzungssaal haben 80 Zuschauer Platz. Im Innenbereich des Gesamtkomplexes gibt es eine Grünanlage.
Die ersten Pläne zum Neubau gab es bereits 2005. Schon damals war klar, dass das alte Justizgebäude am Husemannplatz erheblich sanierungsbedürftig war. Zudem war es innen total verbaut, angeschmuddelt und extrem unästhetisch. „Es entsprach nicht mehr den Anforderungen der Gegenwart“, sagte Oberbürgermeister Thomas Eiskirch. Bis zum ersten Spatenstich dauerte es bis Ende 2012 – und bis zur Fertigstellung fast fünf Jahre. Zweimal musste der Termin deutlich nach hinten verschoben werden, insgesamt mehr als anderthalb Jahre. Der Bauherr, der landeseigene Bau- und Liegenschaftsbetrieb Dortmund, erklärt dies mit – letztlich unbegründeten – Vergabebeschwerden von Firmen. Zudem platze zuletzt ein Wasserschlauch der Heizungsanlage, war den Terminplan erneut durcheinanderwirbelte. „An dem Schmunzeln der Insider sehe ich, das scheint noch bestens bekannt zu sein“, sagte Justizminister Peter Biesenbach (CDU) am Montag.
Moderne Haustechniken
Das neue Justizzentrum wird mehrheitlich sehr gut kommentiert. Vor allem die Architektur des Atriums ist wegen ihrer Helligkeit, optischen Weitläufigkeit, ihrer Linienführung und den bodentiefen Fenstern ein Hingucker. Entworfen hat es das Architekturbüro Hascher-Jehle aus Berlin. Hinzu kommt die moderne Haustechnik wie digitale Saalanzeigen, komfortable Videotechnik in einigen Sälen, Barrierefreiheit, ein taktiles Bodenleitsystem für Sehbehinderte. Zudem wurden Energiepfähle im Erdreich verbaut, die mit Rohrleitungen bestückt sind, über die eine Geothermie-Anlage die Erdwärme zur energiesparenden Heizung und Kühlung des Gebäudes nutzt.
Aber es gibt es innerhalb der Mitarbeiterschaft auch Kritik an dem Neubau. Sie reichen von zu engen Bürozimmern über zu niedrigen Temperaturen in den Sitzungssälen bis hin Farbe der Außenfront. „Leberwurstfarben“, sagte jemand. Außerdem sind der mobile Internetempfang im Atrium miserabel und auch die High-Tech-Türen am Eingang oft defekt. Ausgerechnet zur Eröffnung streikte auch einer der beiden Fahrstühle im Atrium.