Bochum. . Vor dem Landgericht beginnt der Prozess um den Raubmord an der Rottstraße. Bei Nachbarn und Freunden herrschen noch immer Trauer und Entsetzen.

„Das Entsetzen bleibt“, sagt der Chorleiter. „Ich sehe sie immer noch hier reinkommen“, sagt die Schneiderin. „Es waren so liebenswürdige Menschen“, sagt der Nachbar. Allesamt sind sie heute mit den Herzen und Gedanken im Justizzentrum. Um 9 Uhr beginnt der Prozess gegen einen 34-Jährigen, der beschuldigt wird, ein Ehepaar an der Rottstraße derart brutal misshandelt und beraubt zu haben, dass beide Senioren starben.

79-Jährige lag tot im Schlafzimmer

Ganz Bochum nahm Anteil an dem grausamen Überfall, der sich am Morgen des 10. Februar 2017 in der Erdgeschosswohnung des unscheinbaren Wohnhauses ereignete. Die 79-jährige Bewohnerin wurde tot im Schlafzimmer entdeckt. Ihr Mann (78), der im Rollstuhl saß, lag 20 Stunden neben seiner erstochenen Frau. Auch er starb wenig später im Krankenhaus.

„Er hat oft am Fenster gesessen und Zigarre geraucht. Sie hat sich aufopferungsvoll um ihn gekümmert, ihm zuletzt noch einen Hebelift im Flur besorgt. Ich sehe beide bis heute vor mir. Sie fehlen sehr“, sagt Sandra Thiele. Seit 25 Jahren betreibt sie eine Schneiderei an der Rottstraße – unmittelbar neben dem Tatort. Marlies B. war ihre langjährige Stammkundin.

„Das waren keine Millionäre“

„Es waren liebe Leute – aber bestimmt keine Millionäre“, rätselt die Geschäftsfrau, was sich der Täter bei dem Ehepaar versprochen hat. Auf Antworten hofft sie im Prozess. Ebenso wie ihre Kundin Adelheid Hofmann (75), die sich ein „starkes Urteil“ wünscht. „Aber vermutlich hatte der Räuber mal wieder eine schwere Kindheit.“

Dieses Foto von der verwüsteten Wohnung veröffentlichte die Polizei, als im Juli 2017 ein Tatverdächtiger festgenommen wurde. Heute beginnt der Prozess.
Dieses Foto von der verwüsteten Wohnung veröffentlichte die Polizei, als im Juli 2017 ein Tatverdächtiger festgenommen wurde. Heute beginnt der Prozess.

„Gerechtigkeit“: Das verspricht sich auch Wolfgang Zantow von der Gerichtsverhandlung, die er selbst besuchen will: „als Zeichen an die Hinterbliebenen“. Im Andza-Chor, den Zantow leitet, war „die Marlies“ über 30 Jahre als Sopranistin aktiv, habe keine Probe, keinen Auftritt verpasst. „Sie war mit Hingabe dabei.“ Die 40 Mitglieder hätten lange gebraucht, um zu verstehen und zu verarbeiten, Marlies B. nie wieder in ihrem Kreis begrüßen zu können. „Viele hatten anfangs Angst. Die hat sich gelegt“, sagt Zantow. „Die Trauer bleibt.“

Wohnung steht leer

Auch bei Christian Müller, der als Nachbar gleichfalls das Bild eines stets freundlichen Ehepaares zeichnet. „Sie waren die Seele des Hauses.“ Er habe die Hilferufe des Mannes gehört: „zu spät.“ Vom Raub habe er nichts mitbekommen: „obwohl ich zu Hause war.“

Die Erdgeschosswohnung steht derzeit leer. Ein türkisches Ehepaar hat hier gelebt, weist das Klingelschild aus. „Die wussten von nichts“, sagt Sandra Thiele. Als die Mieter erfahren hätten, was passiert ist, „sind sie ausgezogen“.

Sohn als Zeuge geladen

Der Prozess am Schwurgericht beginnt heute um 9 Uhr im Saal A 0.15 des Justizzentrums. An diesem ersten Sitzungstag um 11 und 13 Uhr sollen auch bereits zwei Zeugen aussagen: der Sohn und sein Lebensgefährte, die in Herne leben. Weil der Angeklagte alles bestreitet, wird es wohl ein Indizienprozess. Zehn Termine sind bis 1. März festgesetzt.