Bochum. . Damit geflüchtete Lehrer hier arbeiten können, werden sie in einem speziellen Programm weitergebildet. Für viele ist das eine echte Chance.
Eine Syrerin war die Erste. Noch vor dem offiziellen Bewerbungsbeginn kam sie persönlich vorbei, um ihre Unterlagen abzugeben. Sicher ist sicher. Schließlich könnte das Programm „Lehrkräfte Plus“ ihr eine Zukunft in Deutschland eröffnen. Keine, in der sie sich von Hilfsjob zu Hilfsjob hangeln und dennoch Leistungen vom Jobcenter beziehen muss. Sondern eine, in der sie in ihrem ursprünglichen Beruf arbeiten kann: als Lehrerin, an einer deutschen Schule.
Anfragen kommen aus ganz Deutschland
Dazu soll in der Lage sein, wer das einjährige Vollzeit-Programm für geflüchtete Lehrkräfte durchlaufen hat. „Für viele ist das Projekt die erste echte Chance, die sie hier wahrnehmen können“, sagt Studienberater Christoph Schlick. Bei ihm und Projektleiterin Marie Vanderbeke gehen seit dem offiziellen Bewerbungsstart am 15. Dezember täglich unzählige Mails und Anrufe ein: Nicht nur die Flüchtlinge selbst haben Fragen zum Ablauf, auch Mitarbeiter von Sozialverbänden und private Flüchtlingshelfer melden sich. Sowie Schulleiter, die auf eine langfristige Perspektive für Geflüchtete hoffen, mit denen sie bereits zusammenarbeiten.
„Wir haben das Projekt zwar nur regional beworben“, sagt Schlick, „aber die Anfragen kommen aus ganz Deutschland“. Da überlegt jemand, sein Masterstudium abzubrechen, um dank der Fortbildung bald arbeiten zu können. Marie Vanderbeke hat davon abgeraten.
Qualifizierung als Lehrer für „Mangelfächer“
Eine Frau will sich gemeinsam mit ihrem Vater bewerben, würde aus Süddeutschland ins Ruhrgebiet ziehen und bräuchte eine Unterkunft. Marie Vanderbeke würde bei der Suche helfen. Ein studierter Agraringenieur fragt, ob er ebenfalls teilnehmen könne. Marie Vanderbeke muss ihm absagen.
Denn die Anforderungen an die Bewerber sind klar formuliert: Neben einer „günstigen Bleibeperspektive“ mit einer Aufenthaltsgenehmigung für die Dauer der Qualifizierung brauchen sie einen Lehramtsabschluss – und zwar in einem der Fächer, die in NRW als „Mangelfächer“ gelten: Chemie, Physik, Mathematik, Englisch, Sport und Französisch. Außerdem müssen die Bewerber mindestens zwei Jahre unterrichtet haben.
Sprache ist die größte Hürde
Die Unterrichtspraxis bringen viele Kandidaten mit: „Einige haben nicht nur in der Heimat als Lehrer gearbeitet, sondern in mehreren Ländern“, sagt Christoph Schlick. Schwierigkeiten könnte es jedoch beim geforderten Sprachniveau geben – diese Erfahrung hat man zumindest an der Uni Bielefeld gemacht, wo die Projektidee entstanden ist und wo seit einem halben Jahr der erste Kurs läuft.
Doch die Sprache ist den Verantwortlichen besonders wichtig: „Man kann keinen Lehrer vor eine Klasse stellen, wenn er kein gutes Deutsch spricht. Damit tut man niemandem einen Gefallen“, sagt Schlick. Schließlich gelte es, Fachlehrer auszubilden, die überall eingesetzt werden sollen – und eben keine Hilfslehrer für Integrationsklassen.
Gute Chancen als Vertretungslehrer
Wer die nötige Qualifikation mitbringt und ausgewählt wird, bekommt weiteren Sprachunterricht, lernt etwas über die Feinheiten des deutschen Schulsystems und mögliche Unterrichtsmethoden. „Aus ihren Heimatländern kennen viele nur den Frontalunterricht“, sagt Marie Vanderbeke.
Die Absolventen hätten gute Chancen, so Christoph Schlick, als Vertretungslehrer für die Sekundarstufe I an Gesamt-, Haupt-, Real- oder Sekundarschulen unterzukommen. Und damit schließlich in der deutschen Arbeitswelt anzukommen.
>>> INFO: Projekt ist auf drei Jahre angelegt
Das Projekt „Lehrkräfte Plus“ der Professional School of Education (PSE) an der RUB ist auf drei Jahre angelegt. Pro Jahr werden 25 Teilnehmer aufgenommen.
Die Bewerbungsfrist läuft bis zum 31. Januar. Weitere Informationen: www.pse.rub.de/LKplus; per Mail an: pse-lkplus@rub.de; telefonisch: 0234/ 321 19 30.
Die Stiftung Mercator fördert das Projekt mit 400.000 Euro.