Bochum. . Dietmar Dieckmann wird Kulturdezernent in Bochum. 42 von 82 Stimmen im Rat reichten. Anschließend beschloss die Politik den Haushalt 2018/2019.

Der vermutete Polit-Wahl-Krimi fiel ins Wasser. Gleich im ersten Wahlgang brachte die rot-grüne Koalition am Donnerstag im Rat der Stadt ihren Wunschkandidaten durch. Dietmar Dieckmann erhielt in geheimer Abstimmung 42 von 82 Stimmen – und wird damit im Mai als Nachfolger von Michael Townsend Bochums Beigeordneter für Bildung, Kultur und Sport.

„Ich freue mich, dass die Mehrheit mich gewählt hat“, sagte der 56-Jährige Sozialdemokrat aus Gelsenkirchen erleichtert nur wenige Minuten nach der Wahl. Er freue sich trotz der im Vorfeld gelaufenen Diskussion um seine Eignung und der daraus resultierenden Kampfabstimmung auf den neuen Job. „Das ganze Dezernat ist von der Aufgabenstellung her sehr spannend.“

Kandidatin der Opposition bei Wahl nicht in Bochum

Regina-Dolores Stieler-Hinz, die Kandidatin der Opposition, erhielt 38 Stimmen. Die 49-Jährige war gar nicht vor Ort, weil sie als Kulturdezernentin von Minden an der dortigen Ratssitzung teilnehmen musste.

Blumen von Pressesprecher Thomas Sprenger (links) erhält der frisch gewählte Beigeordnete Dietmar Dieckmann (SPD). Foto: Wäsche
Blumen von Pressesprecher Thomas Sprenger (links) erhält der frisch gewählte Beigeordnete Dietmar Dieckmann (SPD). Foto: Wäsche

Für ein wenig Spannung sorgte allein die Verspätung von SPD-Ratsherr Gerd Lichtenberger. „Wir lassen schon seit einer Stunde hinter ihm hinterhertelefonieren“, sagte Fraktionschef Peter Reinirkens. Da in den Oppositionsreihen mit Winfried Flöring (UWG) und Claus Cremer (NPD) aber auch zwei Personen fehlten, blieb der Adrenalinspiegel im Bereich des Erträglichen. Auch ohne die Stimme Lichtenbergers, der kurz nach der Wahl eintraf, kam Dieckmann ins Ziel, zumal sich auch noch zwei Ratsmitglieder der Stimme enthielten.

Diskussion um Doppelhaushalt

Zu einem weiteren Schlagabtausch zwischen Rot-Grün und den meisten anderen Parteien kam es bei der Beschlussfassung zum Doppelhaushalt 2018/2019. Während SPD und Grüne das Zahlenwerk als Schritt in die richtige Richtung zum angepeilten Haushaltsausgleich 2022 würdigten, kritisierten CDU, Linke, FDP & Stadtgestalter und AfD die Prognose als Schönfärberei.

Auch interessant

„Das Wasser steht uns immer noch bis zum Hals“, sagte Christian Haardt (CDU). Mit dem Doppelhaushalt vergebe man „fahrlässig“ die Chance, 2018 auf Entwicklungen zu reagieren, die heute nicht absehbar seien. Unterstützung bekam er dabei von Felix Haltt (FDP), der aufzeigte, dass allein dieses Jahr 40 mal außerplanmäßig Geld im Haushalt umgebucht werden musste.

Peter Reinirkens und Manfred Preuß indes sehen sich für die kommenden zwei Jahre „in einigermaßen sicherem Fahrwasser“. Und sie freuen sich über Investitionen „auf Rekordniveau“. Für 2018 sind 233 Millionen Euro, für das Jahr darauf 171 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt um zum Beispiel in Straßen, Kanäle, Schulen, Kitas und digitale Netze zu investieren.

>>> Schuldenberg wächst vorerst weiter

Die Stadt Bochum wird auch in den kommenden Jahren Schulden anhäufen. Die Zwei-Milliarden-Euro-Grenze könnte dabei gerissen werden, das Eigenkapital wird weiter verzehrt. Seit 2009 ist es um fast 600 Millionen Euro auf deutlich unter einer Milliarde Euro geschrumpft.

Mit den Stimmen von SPD, Grünen, UWG und Freien Bürgern verabschiedete der Rat zum ersten Mal in Zeiten des Neuen Kommunalen Finanzmanagements (NKF) einen Doppelhaushalt – und zwar für die Jahre 2018 und 2019. Das Volumen beträgt rund 1,44 Mrd Euro. Kämmerin Eva-Maria Hubbert (Grüne) stellte im Rat die wichtigsten Zahlen vor (siehe auch unsere Grafik oben) und gab sich optimistisch, das Ziel des Haushaltssicherungskonzepts erreichen zu können und den Haushalt genehmigt zu bekommen.

Spätestens 2022 muss die Stadt den Haushaltsausgleich schaffen. Die aktuelle Prognose weist für 2022 sogar ein Plus von 5,3 Millionen Euro aus. Wie die Parteien den Haushalt bewerten, lesen Sie auf dieser Seite.

doppelhaushalt.jpg

Das sagen Ratsmitglieder zum neuen Haushalt

Peter Reinirkens, SPD

"Ich kann mich nicht erinnern, wann wir jemals so viel Geld zur Verfügung hatten wie im Augenblick; und gleichzeitig wissen wir: An unseren strukturellen Finanzproblemen ändert das nichts. Da haben wir etwa   ein Paket „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“,  ein Pakt für Beschäftigung und Stabilität, die Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen, noch mehr Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen,  die „Gute Schule 2020“ und  nach der Guten Schule jetzt noch die „Gute Luft“.  Danke für so viel Geld. Trotzdem appelliere ich an Bund und Land: Versetzt die Kommunen finanziell in die Lage, die Infrastruktur kontinuierlich und dem Bedarf entsprechend auszubauen. Versetzt uns finanziell in die Lage, sie zu pflegen und ihre Substanz zu erhalten. Und überhäuft uns nicht plötzlich mit Investitionsmitteln, die wir in kürzester Zeit verbauen müssen. Das tut nur kurzfristig gut.“

Christian Haardt, CDU

"Haushalt, das hört sich zwar langweilig an, ist aber in Wahrheit hochspannend. Haushalt, das ist Politik in Zahlen. Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht jeder demokratischen Mitbestimmung. Umso schlimmer ist es, dass die Koalition heute fahrlässig auf die Möglichkeit verzichtet, in unsicheren Zeiten mit einem Haushalt auf Sicht zu fahren. Stattdessen werden Sie heute einen Doppelhaushalt beschließen, obwohl verlässliche Prognosen,  selbst für den Zeitraum von einem Jahr schwierig sind. Die Koalition verzichtet darauf, im nächsten Jahr durch geordnete Haushaltsberatungen auf das reagieren zu können, was sich mit traumwandlerischer Sicherheit an Veränderungen bei den Rahmenbedingungen ergeben wird. Es sei nur darauf verwiesen, dass etwa die Zinsentwicklung mehr als unsicher ist. Von den 30 einwohnerstärksten Städten in NRW werden nur drei im Jahre 2018 keine Haushaltsberatungen durchführen.“

Manfred Preuß, Grüne

"Die Haushaltskonsolidierung ist auf Kurs und das Defizit wird weiter sinken, erstmals wird es keine höheren Kassenkredite geben. Weiterhin sind keine Grundsteuererhöhung und keine Kürzungen bei sozialen Leistungen vorgesehen. Im Gegenteil. Es gibt Zuschusserhöhungen für verschiedene Träger im Sozial- und Gesundheitsbereich sowie den Tierschutzverein. Außerdem sind mehr Mittel zur Optimierung des Radwegenetzes und zur Luftreinhaltung vorgesehen. Dies ist genug Geld, um alle gefällten Straßenbäume zu ersetzen.Weiterhin möchte ich von einer Beitragsentlastung beim offenen Ganztag sprechen.  Die Präventionsstrategie durch Sozialarbeit in Schulen und Kitas greift und schlägt sich auch im Haushalt nieder. Die freie Kulturszene hat mehr Planungssicherheit. Zudem gibt es 210 Millionen Euro für Investitionen in Schulen, Kitas, Verkehrswege, Stadtentwicklungsprojekte.“

Karl Heinz Sekowsky, UWG

"Natürlich muss ich etwas zum Doppelhaushalt sagen. Dieser hat Vor- und Nachteile, je nachdem aus welchem Blickwinkel man es auch sieht. Als Ratsmitglied kann man sich darüber nicht vorbehaltlos freuen, weil die Prioritäten doch verändert werden können. Aber es ist nun, wie es ist. Dem 2017er Etat hat die UWG- Ratsfraktion zugestimmt, weil wir überzeugt waren, dass er genehmigungsfähig sei. Das Genehmigungsschreiben aus Arnsberg spricht für sich. Diverse UWG- Anfragen dazu sind jetzt beantwortet worden und wir nehmen das zunächst zur Kenntnis. Wenn wir 2022 erstmalig ein positives Ergebnis erreichen, so wissen wir zwar, dass wir den Eigenkapitalverzehr aufgehalten haben, aber mit einem solchen Ergebnis, auch in der Folge, nicht unsere Altschulden tilgen können. Die UWG fordert seit jeher mehr finanziellen Spielraum und Handlungsfreiheit für die Bezirke."

Felix Haltt, FDP/Stadtgestalter

"Der Anteil der Sozialleistungen, die die Stadt zu stemmen hat, soll im nächsten Jahr 46,1 Prozent der Aufwendungen betragen. Geht diese Entwicklung weiter, landen wir bald bei mehr als 50 Prozent Transferaufwendungen. So bleibt kaum Geld für andere Maßnahmen. Es ist ein Alarmzeichen, dass bei uns viele Menschen auf staatliche Hilfen angewiesen sind. Um dem Herr zu werden, müssen Schulbänke zu sozialen Sprungbrettern werden, denn noch immer vererben sich soziale Schieflagen. Wir wollen Bochum unterhalb der Hochschulebene zur Bildungsstadt machen und fordern z. B. die Einrichtung einer Talentschule. Dafür geschieht im Haushalt  zu wenig. Zudem sind Zweifel angebracht, wie verlässlich die Planungen für einen Doppelhaushalt sind. Schnell kann ein Nachtragshaushalt drohen. Auch wegen dieser verfehlten Konstruktion lehnen wir den Haushalt ab.“

Ralf-Dieter Lange, Die Linke

"Die rot-grünen Finanzplanungen sind unsozial und bilden den Rahmen für einen Ausverkauf der städtischen Infrastruktur. Seit 2006 wurden netto 440 Stellen gekürzt, 200 weitere sollen folgen. Im nächsten Jahr sollen die Ausgaben für die Gebäudereinigung durch Outsourcing um eine Million Euro sinken. Die Koalition plant,  2019 eine Viertelmillion Euro bei denjenigen zu streichen, die sowieso am wenigsten verdienen: Alle Reinigungskräfte, welche die Stadt noch selbst einstellt, sollen schlechter bezahlt werden als bisher. Anderes Beispiel: Von Gewalt betroffene Frauen haben in Bochum große Probleme, Wohnungen zu finden, die den Mietpreisobergrenzen des Jobcenters entsprechen. Darum ist das Frauenhaus überfüllt. Trotzdem versucht die Verwaltung, die Mietpreisobergrenzen weiter zu senken. Die Pläne von SPD und Grünen sind sozial unausgewogen. Dazu sagen wir klar nein.“

Günter Gleising, Soziale Liste

"Mit dem drastischen Rotstiftprogramm wird das Dienstleistungsangebot weiter verschlechtert, Leistungen der Daseinsvorsorge eingeschränkt. Doch anstatt die Ursachen dieses Prozessen anzugehen, setzt die Stadt auf teure Imagekampagnen. Mit einer bunten Öffentlichkeitsarbeit sollen die problematischen Entwicklungen übertüncht werden. Zauberworte in der städtischen Personalpolitik sind jetzt „Optimierung“, „Digitalisierung“ etc. Es wird der Eindruck erweckt als könne losgelöst von politischen und sozialen Entwicklungen Personal abgebaut werden. Dagegen hat der Personalrat kürzlich gefordert, den Personalabbau zu beenden und formuliert: „Die Zitrone ist ausgequetscht!“ Mit dem Haushaltsplan erfüllt die Stadt die von der Politik gestellten Bedingungen und die der Finanzmärkte, nicht aber die Hoffnungen der Menschen auf eine solidarische, lebenswerte Stadt für alle.“

Jens Lücking, Freie Bürger

"Das Volumen des Haushalts hat sich in den Jahren beständig erhöht, ausgeglichen war er jedoch bis auf ein Jahr mit Sondereffekten nie.  Und so setzt sich dieser Trend auch im Doppelhaushalt 2018/2019 fort. Trotz erheblicher Einnahmeverbesserungen ist der ausgeglichene Haushalt weiterhin nur das Ziel bis 2022 und nach vorläufiger Einschätzung auch nur zu erreichen, wenn die Rahmenbedingungen, wie das Zinsniveau, sich nicht wesentlich verschlechtern. Die Frage, ob in diesen Zeiten weltpolitischer Unsicherheiten und großer Bevölkerungswanderungen ein Doppelhaushalt überhaupt das richtige Mittel ist, wird von den Freien Bürgern mit ja beantwortet. Schlimmstenfalls müsste im kommenden Jahr ein Nachtragshaushalt beraten und beschlossen werden. Das Defizit in den kommenden zwei Jahren ist überschaubar und lässt den Haushaltausgleich im Zieljahr erkennen."

Wolf-Dieter Liese, AfD

"Dieser Haushalt ist weder solide noch nachhaltig, er steht auf tönernen Füßen. Weder die derzeitige Wirtschaftsentwicklung mit sprudelnden Steuereinnahmen noch die anhaltende Nullzinsphase dürfen sich auch nur geringfügig ändern. Von steigenden Flüchtlingszahlen will ich gar nicht reden. Wenn sich nur eine Größe in diesem fragilen Konstrukt aus Hoffnung und Illusionen verändert, ist das Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht zu erreichen. Die schon fest eingeplante Grundsteuererhöhung kann nur deswegen ausgesetzt werden, weil Arnsberg höhere Schlüsselzuweisungen für 2018 prognostiziert hat. Sie nehmen diese Prognose zum Anlass, eine weitere Steigerung von 12,5 Millionen Euro für 2019 anzunehmen. Eine kühne Annahme. Wir fürchten, die Grundsteuererhöhung ist nicht aufgehoben, sondern allenfalls aufgeschoben. Die Entwicklung der Personalkosten ist ebenfalls besorgniserregend."

1/9