Bochum. . Volljährige Flüchtlinge bekommen keine finanziellen Mittel mehr, wenn sie zur Schule gehen. Viele stehen vor der Frage: Schule oder Geld?

  • Rund ein Viertel der Flüchtlinge in Bochumer internationalen Förderklassen ist betroffen
  • Flüchtlinge stehen ab 18. Geburtstag nicht mehr unter Schutz des Jugendamtes
  • Eigentlich stehen ihnen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu

Wenn sich nach den Herbstferien die Schulen wieder füllen, werden in so manchem Klassenraum wohl Plätze leer bleiben. In den Internationalen Förderklassen der Bochumer Berufskollegs und des Weiterbildungskollegs stehen ein Viertel aller Schüler vor der Frage: Bleiben oder gehen? Schule oder Geld?

Die behördlichen Schreiben, die einige von ihnen dieser Tage erhielten, fordern dazu auf, eine Abmeldebescheinigung von der Schule bis zum 26. Oktober nachzureichen – andernfalls endet die finanzielle Unterstützung vonseiten der Stadt. Auf das Geld aber sind die Adressaten dringend angewiesen: Es sind Flüchtlinge, die als unbegleitete Minderjährige nach Deutschland kamen, nun 18 geworden sind und damit nicht mehr unter der Obhut der Jugendhilfe stehen. So lange ihr Asylverfahren läuft, haben sie Anspruch auf Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können.

Erlass des Schulministeriums liegt nicht im Original vor

Doch weil ein Erlass des NRW-Schulministeriums den Besuch einer Internationalen Förderklasse für „dem Grunde nach“ bafög-fähig erklärt, läuft der Anspruch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ins Leere. Bafög geht vor. Das jedoch können die Schüler erst bekommen, wenn über den Asylantrag entschieden ist.

Eine Situation, die sich offenbar nicht auflösen lässt. Denn der ominöse Erlass scheint nirgends im Original vorzuliegen. Zumindest habe ihn bislang niemand, mit dem sie gesprochen hat, auffinden können, sagt die Rechtsanwältin Nadine Flesch, die sich schon seit dem Sommer intensiv mit der Thematik befasst.

Auf einem Fachkräftetreffen Ende vergangener Woche, bei dem sich Akteure austauschten, die mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu tun haben, wurde das „Bafög-Problem“, wie Nadine Flesch es mittlerweile nennt, zum beherrschenden Thema. Schließlich sind laut Schätzungen der Bochumer Schulleiter etwa 50 junge Menschen betroffen. Am Alice-Salomon-Berufskolleg geht es um 20 Asylbewerber. „Die Flüchtlinge werden systematisch gezwungen, die Berufskollegs zu verlassen“, sagt Schulleiter Johannes Kohtz-Cavlak.

Stadt Bochum will Fälle individuell prüfen

Ihnen bleibt die Möglichkeit, an der Volkshochschule einen Sprachkurs zu besuchen oder dort den Schulabschluss zu machen. „Das VHS-Angebot ist gut, ohne Zweifel“, sagt Flesch. Doch zum einen sei nicht sichergestellt, dass genug Kursplätze verfügbar seien, zum anderen biete die VHS keine Perspektive für jemanden, der sich an einer Schule integriert habe, berufsvorbereitende Praktika anstrebe, und Pläne habe, die über den bloßen Spracherwerb hinausgingen.

„Wir möchten gern die Möglichkeit bekommen, derartige Fälle individuell zu prüfen“, sagt dazu Stadtsprecher Peter van Dyk. Erst in der vergangenen Woche habe man einem jungen iranischen Asylbewerber den Besuch eines Oberstufenkurses ermöglicht, während er weiterhin Leistungen vom Sozialamt erhalte. „Wir prüfen jeden vorgelegten Fall sehr wohlwollend“, so van Dyk. Betroffene sollten beim Jugend- oder Sozialamt nachfragen. Dennoch: Eine generelle Regelung kann es vonseiten der Stadt nicht geben, das verhindert der Erlass.

Warten auf die Stellungnahme des Schulministeriums

Über eine Petition wollen einige Akteure das Schulministerium zu einer Stellungnahme bewegen. Auf die warte man nämlich, so Nadine Flesch, bislang vergebens.

Gerade ist bei ihr der Bescheid eines Klienten eingegangen, dass seine Leistungen eingestellt werden zum 31. Oktober. Er ist Schüler des Louis-Baare-Berufskollegs – und wird sich nun entscheiden müssen, ob er es weiter besuchen kann.