Bochum. . Die Fusion von Thyssen-Krupp und Tata verunsichert die Belegschaft. Mit einer Großdemonstration will sie sich gegen den Zusammenschluss wehren.

  • Durch eine Fusion von Thyssen-Krupp und Tata wäre auch die Zukunft der Bochumer Werke ungewiss
  • Die Belegschaft ist seit anderthalb Jahren verunsichert und fordert Klarheit
  • Am 22. September werden voraussichtlich einige tausend Stahlarbeiter in Bochum auf die Straße gehen

Es herrscht Unruhe bei den Stahlkochern an der Essener und Castroper Straße. Nach Nokia und Opel könnte mit Thyssen-Krupp das nächste Großunternehmen seine Werke in Bochum schließen. Die sich abzeichnende Fusion zwischen dem Essener Konzern und dem Stahlunternehmen Tata mit Sitz im indischen Mumbai wird womöglich Konsequenzen für die bereits vom Stellenabbau betroffene Bochumer Belegschaft haben.

Die Betriebsräte werfen der Unternehmensspitze vor, die Arbeitnehmer seit Monaten im Unklaren zu lassen. „Unsere Zukunft ist nach wie vor ungewiss“, sagt Harald Pfennig, Betriebsratsvorsitzender im Thyssen-Werk an der Essener Straße. Nun rufen die Arbeitnehmervertreter zum Protest auf.

Planungen laufen an

Die Gewerkschaft IG Metall kündigte am Montag eine Großdemonstration für Freitag, 22. September, in der Stadt an – zwei Tage vor der Bundestagswahl. Die Planungen dazu haben kurzfristig begonnen. Eva Kerkemeier, erste Bevollmächtigte der IG Metall Bochum-Herne, will einige tausend Arbeitnehmer mobilisieren.

„Wir loten gerade aus, welcher Zeitpunkt und welche Örtlichkeiten in Frage kommen“, so Kerkemeier. Derzeit beraten sich Gewerkschaft und Betriebsräte. Eine Sperrung der Essener Straße, direkt vor dem Werk, wäre denkbar. Auch der Hans-Schalla-Platz vor dem Schauspielhaus an der Königsallee war bereits Versammlungsort für große Arbeitnehmer-Proteste und Solidaritätsbekundungen, als es 2012 um die endgültige Werksschließung von Opel ging.

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Es ist davon auszugehen, dass die Stahl-Demonstration eine ähnliche Größenordnung annimmt: Gesamtbetriebsratsvorsitzender Günter Back will dafür sorgen, dass sich die ebenfalls betroffene Duisburger Belegschaft mit den Standorten im Süden und Norden der Stadt mit ihren Kollegen in Bochum solidarisch zeigen kann: „Wir werden alle zentralen Anlagen herunterfahren und ermöglichen, dass von den tagesaktuell 6000 im Schichtbetrieb Beschäftigten alle die Chance bekommen, auf die Straße zu gehen.“

Tausende Stellen in Gefahr

Tata und Thyssen-Krupp planen ein Joint Venture ihrer Stahlsparten, bei dem beide Konzerne zu jeweils 50 Prozent beteiligt sein sollen. Der Gesamtbetriebsrat von Thyssen spricht von Synergie-Effekten von 400 bis 500 Millionen Euro, die durch den Zusammenschluss der Unternehmen erzielt werden sollen. Dabei stünden angeblich 4000 von insgesamt 27 000 Stellen im Stahlbereich auf dem Spiel. In Bochum arbeiten etwa 2600 Beschäftigte.

Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) hofft, dass es bei der Aufsichtsratssitzung des Konzerns am 24. September eine klare Richtungsentscheidung des Management geben wird: „Die Arbeitnehmer haben ein Recht auf Klarheit. Es ist eine Situation, die die Beschäftigten seit 17 Monaten in extreme Unsicherheit bringt.“

>>Bochumer Stahlindustrie hat Tradition

Seit über 150 Jahren ist Bochum Stahlstandort. Alles begann mit der Gründung des „Bochumer Vereins“ im Jahr 1854.


  • Ende der 1950er Jahre wurde der Bochumer Verein vom Krupp-Konzern übernommen.

  • Mit über 20 000 Beschäftigten in der Spitze war der Bochumer Verein bis in die 1960er Jahre der größte Arbeitgeber der Stadt; selbst zu Zeiten von Opel.

  • Die Zukunft des Stahlstandorts Bochum ist nun ungewiss.


  • Welche Konsequenzen hat die Thyssen-Fusion?

    Hans-Joachim Dressler (60)

    "In der Stahlbranche ist kein Geld mehr zu verdienen. Man wird den Prozess nicht aufhalten können. Die Politik kann da nicht viel machen. Auf lange Sicht ist die Stahlindustrie hierzulande nicht zu retten. Genausowenig, wie die Opel-Rettung zu machen war. Die Stadt muss dafür sorgen, dass Arbeitsplätze in zukunftssicheren Branchen geschaffen werden."

    Ulrich Karger (68)

    "Im schlimmsten Fall könnten schlagartig Tausende Arbeitsplätze in der Stadt verloren gehen. Das wäre sicherlich ein Schock. Bisher hat Bochum das aber meiner Meinung nach immer ganz gut verkraftet. Ich denke da vor allem an den Zechenabbau, den die Stadt mit der Universität und der Automobilindustrie, also mit Opel, aufgefangen hat. Ich bin da guter Dinge.“

    Harald Karczewski (69)

    "Ich bin Rentner und habe mir vorgenommen, mich einmal am Tag 15 Minuten aufzuregen: Alle großen Firmen sind schon weg aus der Stadt. Die Politik wird da gar nichts machen können, um die Stahlindustrie im Ruhrgebiet oder in Bochum retten zu können. Nicht auf lange Sicht. Alles andere ist Augenwischerei.  Aber naja, vielleicht gibt es ja noch ein Wunder, wer weiß.“

    Michael Bangert (58)

    "Falls es wirklich zu Werkschließungen in Bochum kommen sollte, glaube ich nicht, dass die Stadt aus eigener Kraft so viele Arbeitslose verkraften könnte. Im Fall Opel ist das hier nicht geglückt. Die Probleme von Thyssen-Krupp sind aber keine unternehmensspezifischen Probleme, sondern allgemeiner Natur. Das betrifft den Mittelstand ebenso. Die Rede ist vom globalen Wettbewerb.“

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