Bochum. Konjunkturbedingte Lieferverzögerungen wirken sich auf Thyssen-Krupp in Bochum aus: Brammen aus Brasilien kommen nicht vor 2011 ins Bochumer Werk zur Weiterverarbeitung.
Während das Warmbandwalzwerk an der Essener Straße in Bochum gut ausgelastet ist, befinden sich bis zu 500 Thyssen-Krupp-Mitarbeiter des benachbarten Kaltwalzwerkes in Kurzarbeit. „Wir in Bochum profitieren vor allem davon, dass wir auch das rostfreie Stahl des Nirosta-Werkes walzen”, erläutert der Betriebsratsvorsitzende Herbert Kastner. Die bis zu 110 000 Tonnen in Bochum gefertigten rostfreien Stahls hätten in den vergangenen Monaten für eine gute Auslastung gesorgt. Thyssen-Krupp-Stahl-Sprecher Dietmar Stamm erläutert zudem, dass sich die Belieferung des Bochumer Werkes mit Brammen aus Brasilien wegen der immer noch nicht abzusehenden Entwicklung der Stahlkonjunktur verzögern werde. „Von Mitte nächsten Jahres an wird zunächst des Stahlwerk in Alabama beliefert.” Auch in den Duisburger Hochöfen produzierter Stahl würde in die USA verschifft.
Mehr als 100 Millionen Euro investiert
Mehr als 100 Millionen Euro investierte Thyssen-Krupp in den vergangenen drei Jahren in den Standort Bochum. Die Maßnahmen hatten das Ziel, die Kapazität des Walzwerkes zu erhöhen. Die Leistungsfähigkeit der Warmbreitbandstraße wurde um rund 40 000 Tonnen auf dann 380 000 Tonnen im Monat erhöht. Diese umfangreichen Arbeiten im Werk sind nahezu abgeschlossen. Das alles, um – so der ursprüngliche Plan – ab nächsten Jahres Stahl-Brammen aus Brasilien in Bochum zu Coils zu walzen.
Gebraucht werden diese zusätzlichen Kapazitäten indes zur Zeit nicht. Dies bestätigt auch die Duisburger Konzernzentrale. Ursprünglich war daran gedacht, dass von den rund fünf Millionen Tonnen in Brasilien erzeugten Stahls drei Millionen für den nordamerikanischen Markt und der Rest zur Weiterverarbeitung in die deutschen Walzwerke, darunter auch das Bochumer, mit Schiff und Bahn transportiert werden sollten.
200 Stellen in Bochum abgebaut
Jede Bramme soll mit einem speziellen Chip inklusive eines Miniatursenders versehen und über diese RFID-Technologie auf dem Weg von der Bucht von Sepetiba auf ihrem tausende Kilometer langen Weg bis – sagen wir – zur Essener Straße nicht verloren gehen. Bereits 2007 testete der Konzern diese Technologie mit 1000 Test-Brammen erfolgreich. Was nichts ist gegen die geplanten 250 000 Stahlblöcke jährlich, die auf den Weg nach Nordamerika und Deutschland gebracht werden sollen.
Die weltweite Konjunktur- und Stahlkrise machte zunächst einen dicken Strich durch diese ehrgeizigen Pläne. Mit Folgen: Denn die tiefrote Bilanz hat Konsequenzen. Am Standort Bochum werden über einen Alterssozialplan insgesamt 200 Stellen sozialverträglich abgebaut. „Die Gespräche mit den Mitarbeitern laufen bereits”, so Betriebsratschef Herbert Kastner. Insgesamt würden im Stahlbereich des Konzerns etwa 2000 Stellen gestrichen. Am Standort Bochum beschäftigt der Konzern rund 3800 Mitarbeiter, einschließlich des Nirosta-Werkes und den Stahlwerken Bochum an der Castroper Straße.
"Ein flexibles Konzept"
Frühestens in zwei Jahren, wenn das Stahlwerk in Brasilien mit beiden Hochöfen seine Produktion voll aufnimmt, kommen die dann entsprechend mit High-Tech-Etiketten versehenen Brasilien-Brammen tatsächlich in Bochum an, falls die Konjunktur mitspielt. Unternehmenssprecher Dietmar Stamm kann sich daher auch nicht festlegen: „Dies ist ein flexibles Konzept.”
Anfang Dezember tritt der Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp-Stahl zusammen. Dort geht es auch um die Jahresplanung für 2010. Aufsichtsratsmitglied Kastner verspricht sich davon etwas mehr Klarheit: „Denn, wenn ich etwa an Opel denke, noch mehr Ungewissheit können wir hier in Bochum doch wirklich nicht gebrauchen.”