Bochum. . An einer Eichenallee unterm Tippelsberg haben sich Tausende Raupen breitgemacht. Sie haben sich Nester gebaut. Der Befall ist nicht ungefährlich.
- Massenhafter Raupenbefall an der Hiltroper Straße: Tausende Tierchen haben sich dort Nester gebaut
- Die Raupen befinden sich in unmittelbar Nähe zu Fußgängern und Radfahrern
- Fachleute raten zu einem Entfernen der Nester im Schutzanzug und zur Vorsicht im Umgang mit ihnen
An der viel befahrenen Hiltroper Straße, unmittelbar unter dem Tippelsberg, haben Tausende neue Anwohner ihr Zuhause bezogen. Der Großteil der Straßenbäume, alles Eichen, ist massiv von einer Raupenart befallen.
Der Anblick ist geeignet, bei dem einen oder anderen für ziemlichen Ekel zu sorgen. Sowohl Fußgänger als auch Radfahrer fahren direkt neben und unter den Bäumen her. Wegen giftiger Raupenhärchen besteht offenbar die Gefahr von allergischen Reizungen.
Anwohnerin fragt Gesundheitsamt
Entdeckt hatte die Raupen die Anwohnerin Sandra Schaffarczik am vergangenen Samstagabend. Sie machte Fotos, recherchierte und vermutete, dass es sich um „Eichen-Prozessionsspinner“ handeln muss. Die Bilder schickte sie ans Gesundheitsamt.
Als „bedenklich“ sei der Befall einzustufen, habe ihr die Behörde geantwortet, den Bildern nach zu urteilen. Die Stadt teilte gestern auf WAZ-Anfrage mit, dass sich das Umwelt- und Grünflächenamt erst am heutigen Dienstag die Sache vor Ort anschauen wolle.
Von den 26 Alleebäumen sind mindestens 15 stark befallen, einige sogar an mehreren Stellen. Die wie Zuckerwatte anmutenden Nester haben einen Durchmesser von bis zu 40 Zentimetern und hängen an den Ästen, teilweise am Stamm in Hüfthöhe der Fußgänger.
Nester ziehen sich den Stamm hoch
Hier und da ziehen sich von den Nestern weitere Gespinste den Stamm hoch – über mehrere Meter. Vereinzelt haben die Raupen ein Eichenblatt mit ins Nest gesponnen, um es zu vertilgen. Benachbarte Bäume unweit der Allee sind betroffen.
„Man sollte die Nester entfernen“, rät der Bochumer Baumpfleger Marcos Walzberg – im Schutzanzug. „Wenn sie herunterfallen, sollen sie aggressive Hautreizungen auslösen.“ In Bochum kenne er solch einen Befall bisher nicht.
Jürgen Heuser, Leiter der Biologischen Station Ruhr-Ost, hält es nach Ansicht der Fotos ebenfalls für „wahrscheinlich“, dass es sich um Eichenprozessionsspinner handelt. „Die Raupen befinden sich im vierten Raupenstadium.“ Die Mikro-Härchen befänden sich also längst in der Luft, da die Tiere diese bereits im dritten Stadium ausbilden.
Raupen-Haare sind gefährlich
„Die Härchen sind wirklich gefährlich“, sagt Heuser. Der Zoologe erklärt, dass diese so klein sind, dass sie mühelos durch Kleidung und auch Haut dringen. „Deswegen ist die Bekämpfung auch so schwierig.“
Kommen Menschen mit Kokonresten, Nestern oder direkt mit den Haaren in Kontakt, könnten diese bei Betroffenen Hautreaktionen und Ekzeme auslösen.
„Das soll in NRW in letzter Zeit zugenommen haben“, sagt Jürgen Heuser auf die Frage, ob sich solche Fälle in der Umgebung gehäuft haben. Trotzdem ist ein Fund wie der von der Hiltroper Straße alles andere als alltäglich. Heuser macht dies an Hinweisen fest, die die Biologische Station erreichen. Bei den Eichenprozessionsspinner gebe es alle „drei bis vier Jahre“ Anfragen deswegen, bei Wespen täglich.
>>> Problem ist in NRW seit 15 Jahren bekannt
Der Befall von Eichen mit den Eichenprozessionsspinnerraupen ist in NRW, so teilt es die Landwirtschaftskammer NRW mit, seit 15 Jahren ein Problem. Forstwirtschaftlich sei der Schaden bei einmaligem Kahlfraß der Blätter – aufgrund des hohen Regenerationsvermögens der Eichen – gering.
Von den Brennhaaren der älteren Larven (ab 3. Larvenstadium) gehe aber eine große gesundheitliche Gefahr für den Menschen aus.
Haare enthalten Nesselgift
Die mit Widerhaken versehenen Haare enthalten das Nesselgift Thaumetopoein, das eine Überempfindlichkeitsreaktion des Immunsystems auslösen kann. Bei günstiger Witterung und Luftströmung können die Brennhaare über weite Strecken transportiert werden.
Unmittelbar nach dem Hautkontakt kann es zu einer pseudoallergischen Reaktion kommen. Sie kann sich durch einen unangenehmen Juckreiz und Hautentzündungen, zum Beispiel in Form von insektenstichähnlichen Flecken bis hin zur Nesselsucht äußern.
Geraten die Härchen in die Augen, kommt es häufig zu Reizungen. Eingeatmete Brennhaare können zu einer Reizung der oberen Atemwege, bei einer Vorbelastung auch zu Atemnot führen. Auch Symptome wie Schwindelgefühl und Fieber sind möglich.
Gespinstnester schwierig zu bekämpfen
Bereits gebildete Gespinstnester – so wie an der Hiltroper Straße – sind schwierig zu bekämpfen. Werden Nester etwa mit einem Wasserstrahl entfernt oder abgeflammt, verbreiten sich die Brennhaare stark.
Zudem besteht bei der zuletzt genannten Technik Brandgefahr. Bewährt habe sich, die Nester mechanisch zu entfernen und dann in einer Müllverbrennungsanlage zu entsorgen.
Spezialfirmen zur Schädlingsbekämpfung bieten ein Absaugverfahren und Arbeitsschutzausrüstung an. Bei Kontakt mit den Raupenhaaren empfiehlt sich intensives Duschen und Waschen der Kleidung. Bei schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen sollte ein Arzt konsultiert werden. (ebbi)