Bochum. . 2013 floh der Thamer Al-Wahban aus Syrien nach Deutschland. Seit diesem Februar arbeitet er wieder als Arzt – in einem Bochumer Krankenhaus.

  • Der Syrer Thamer Al-Wahban floh 2013 vor den Kämpfen in seiner Heimat nach Deutschland
  • Er wollte sich möglichst schnell eine neue Existenz aufbauen, doch das dauerte länger als gedacht
  • Seit Februar 2017 arbeitet er nun wieder in seinem Beruf. Er ist Arzt im Martin-Luther-Krankenhaus

Eigentlich war es die Nachbarin, die Thamer Al-Wahban den Weg in die deutsche Berufswelt ebnete. Ob sie nicht ab und zu einen Kaffee mit ihm trinken und ein bisschen Deutsch sprechen wolle, fragte der Syrer sie. Sie wollte. Und erfuhr so die Geschichte des jungen Mannes, ihres neuen Nachbarn, die sie dann ihrem Hausarzt erzählte.

Der bot dem Flüchtling prompt eine Stelle an. „Nur zur Hospitation natürlich“, erklärt Al-Wahban. Er habe ja zu diesem Zeitpunkt die deutsche Approbation noch nicht gehabt.

Ein bisschen Deutsch aus dem Fernsehprogramm

Zwei Jahre lebt Thamer Al-Wahban da bereits in Deutschland. Elf Monate davon in einer Flüchtlingsunterkunft, verdonnert zum Nichtstun, ohne Sprachkurs, ohne Arbeit. Und das, obwohl er als Akademiker zu dem sehr geringen Prozentsatz gehört, der in der Statistik der arbeitsuchenden Flüchtlinge als „Experten“ geführt wird.

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Die meisten Flüchtlinge, erklärt Johannes Rohleder, Sprecher des Bochumer Jobcenters, könnten maximal Helferjobs ausführen. Schon deshalb, weil sie oft noch sehr jung sind und allenfalls mit einem Schulabschluss in der Tasche die Heimat verlassen haben. Nicht so Thamer Al-Wahban: Er hat viele Jahre in der Ukraine studiert, ist 2009 nach Syrien zurückgekehrt, wo er eine Stelle im Militärkrankenhaus von Damaskus antrat.

Erster Sprachkurs ist eine Enttäuschung

Als er 2013 flieht, toben längst heftige Kämpfe, „die Situation war sehr schlimm“, sagt er und möchte nicht mehr darüber erzählen. Ende 2013 erreicht er Düsseldorf, wird später in Aldenhoven untergebracht. In höchstens anderthalb Jahren, so hofft er, wird er in einem deutschen Krankenhaus arbeiten.

Stattdessen muss er warten, lässt sich vom Fernsehprogramm mit deutscher Sprache berieseln, um wenigstens ein bisschen zu lernen. Er ist nun nicht mehr der Arzt Al-Wahban, er ist ein Flüchtling, einer von vielen, obgleich die großen Flüchtlingsströme erst noch kommen werden.

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Der erste Sprachkurs dann, 2014, ist eine Enttäuschung: Akademiker sitzen dort neben Analphabeten. Al-Wahban aber braucht möglichst schnell das B2-Sprachzertifikat, Voraussetzung für die Tätigkeit als Arzt in Deutschland. Er hat Glück: Die Lehrerin unterstützt ihn dabei, einen anderen Kurs zu finden.

Dann ändern sich die Vorgaben: Für den Arztberuf wird nun C1-Niveau verlangt. Al-Wahban lernt unermüdlich, versucht gleichzeitig, alle Unterlagen aus Syrien und der Ukraine zu beschaffen, die er für das sogenannte Anerkennungsverfahren braucht, ohne das sein Studium und seine Abschlüsse in Deutschland nichts wert sind.

Stelle im Martin-Luther-Krankenhaus

Aus den geplanten anderthalb Jahren sind dreieinhalb geworden, als Thamer Al-Wahban nach mehreren Hospitationen, dem Anerkennungsverfahren, der Fachsprachprüfung und dem Erhalt der deutschen Approbation endlich zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen ist. Während er sich den Start in Deutschland viel zu leicht vorgestellt hat, macht er sich nun Sorgen vor dem Gespräch. „Doch es war ganz einfach!“

Er bekommt die Stelle, arbeitet seit Februar in der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie im Martin-Luther-Krankenhaus. Ist er nun angekommen? Immerhin hat er Arbeit, Kollegen, seine Nachbarin, Bekannte und Freunde. Ist Deutschland jetzt seine Heimat? Nur beinahe. Denn etwas fehlt noch, oder vielmehr: jemand.

Seine Verlobte, die in der Türkei festsitzt. Sie darf erst einreisen, wenn sie Sprachkenntnisse nachweisen kann. Doch in der Gegend, in der sie lebt, werden keine Deutschkurse angeboten. „Sie muss mehrere Stunden mit dem Bus fahren, um einen Kurs zu erreichen“, sagt Al-Wahban. Also lernt er mit ihr, per Whattsapp, per Skype. „Ich hoffe, es bringt etwas.“ Es muss einfach: Am 22. August, 12 Uhr, haben sie einen Termin beim Standesamt.

>>> INFO: 4444 FLÜCHTLINGE SUCHEN ARBEIT

  • In Bochum waren im April 2017 insgesamt 4444 Flüchtlinge arbeitsuchend gemeldet.
  • 73 Prozent der Arbeitsuchenden lassen sich laut Jobcenter nur in Helfertätigkeiten vermitteln, mitgezählt werden aber auch Jugendliche ab 15 Jahren.
  • 14 Prozent gelten als Fachkräfte, vier Prozent sind als Experten gelistet; bei neun Prozent fehlt die Angabe des Qualifikationsniveaus,