Bochum. In der VW-Affäre hat ein Bochumer Anwalt alle Klage-Forderungen eines VW-Kunden auf Entschädigung durchgesetzt. Das könnte wegweisend sein.

  • Der Eigentümer eines vom Diesel-Skandal betroffenen VW-Tiguan hat erfolgreich gegen ein Autohaus geklagt
  • Sämtliche Forderungen wurden im Wege einer Einigung erfüllt, teilte sein Bochumer Anwalt auf Anfrage mit
  • Der Ausgang dieses Falles könnte in Deutschland eine Pilotwirkung haben – zu Gunsten von betroffenen VW-Kunden

„Mit dem Ergebnis ist unser Mandant hochzufrieden, seine Bedingungen sind von der Gegenseite voll akzeptiert worden.“ Das sagte am Montag auf Anfrage der Bochumer Rechtsanwalt Dietrich Messler über einen Rechtsstreit in der VW-Abgas-Affäre. Der Fall könnte eine Pilotwirkung für gleichgelagerte Fälle in ganz Deutschland haben – zu Gunsten von VW-Kunden.

Messlers Mandant, ein Professor aus Trier, der früher in Bochum tätig war, hatte 2014 in einem Bochumer Autohaus einen neuen Tiguan tdi „4Motion“ mit Sonderausstattung gekauft. Er kostete fast 38.000 Euro. Der Käufer, Stammkunde des Autohauses, hielt den Wagen für relativ umweltfreundlich.

Als aber die Abgas-Affäre aufflog, wollte er den Diesel wieder ans Autohaus zurückgeben, weil er zu viele Emissionen ausstieß. Im November 2015 forderte er den Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung zurück. Alternativ bot er an, dass das Autohaus ihm einen gleichartigen Neuwagen bereitstelle. Messler zufolge war dies die erste Klage in dieser Affäre in ganz Deutschland.

Rechtsanwalt Dietrich Messler in seiner Kanzlei „Messler & Messler“ in Bochum.
Rechtsanwalt Dietrich Messler in seiner Kanzlei „Messler & Messler“ in Bochum. © B. Kiesewetter

Bochumer Gericht wies Klage in erster Instanz ab

In erster Instanz wies das Bochumer Landgericht die Klage aber im März 2016 ab.Tenor: Der Mangel sei nicht erheblich genug und könne mit relativ wenig Aufwand beseitigt werden. Kläger-Anwalt Messler sah dies im Gericht völlig anders: „Der Verbraucher will keine Schummel-Software.“ Wegen der Abgas-Affäre sei der Tiguan zurzeit nur mit großem Verlust oder gar nicht zu verkaufen. Zudem sei unklar, ob das Auto nach einem Software-Update mehr Sprit verbrauche und noch dieselbe Leistung zeige.

Deshalb legte er Berufung am Oberlandesgericht (OLG) Hamm ein. Am 14. Februar sollte verhandelt werden. Doch dazu kam es nicht.

Wie Messler sagt, habe das OLG bereits vor dem Berufungstermin durchblicken lassen, dass es dem erstinstanzlichen Urteil aus Bochum wohl nicht folgen werde. Zum Beispiel habe es einen renommierten Gutachter geladen, der sagen solle, ob sich die Affäre negativ auf den Verkaufswert der betroffenen Autos auswirke und wie hoch gegebenenfalls der kaufmännische Minderwert sei. Daraufhin hätten die Anwälte des Autohauses „gleichsam die Notbremse gezogen“ und eine Einigung vorgeschlagen. Messler vermutet, dass auch „der mutmaßliche Weisungsgeber, der VW-Konzern“, in diese Entscheidung eingebunden sein könnte.

Kläger-Anwalt bestimmte die Konditionen

„In der Gewissheit, vor dem OLG im Falle eines Urteils zu obsiegen“, so Messler, habe er dann bei der Einigung „die einzelnen Konditionen bestimmt“ und auch die verlangten Bedingungen seines Mandanten „durchgesetzt“. Nur ein einziges Zugeständnis habe er ans Autohaus gemacht: Über den genauen Inhalt der Einigung wird Stillschweigen vereinbart. So viel sagt Messler aber doch: „Der Kläger hat bekommen, was er wollte.“

Die Rechtsprechung der einzelnen Gerichte ist bisher uneinheitlich. So wurde zum Beispiel erst Ende Dezember 2016 die Klage einer Bochumer Kanzlei direkt gegen den VW-Konzernvom Landgericht Braunschweig abgewiesen. Die Klage forderte für eine Frau aus Köln die Rücknahme ihres VW-Sharans gegen den vollen Kaufpreis.

Eine fast vierstellige Anzahl an Klagen

Insgesamt sind in Deutschland rund 2,6 Millionen Fahrzeuge des VW-Konzerns von der „Schummelsoftware“ betroffen. Davon wurden bereits rund 900 000 umgerüstet, wie ein VW-Sprecher am Montag der WAZ sagte. „Es gab kaum Beanstandungen.“

Insgesamt sind nach VW-Angaben wegen der Affäre fast 1000 Klagen gegen den VW-Konzern und Autohäuser anhängig. Davon wurden bereits fast 110 in erster Instanz entschieden. Zwischen 75 und 80 Prozent der Klagen seien abgewiesen worden, sagt der VW-Sprecher, den anderen Klagen sei stattgegeben worden.