Bochum. . In der VW-Abgas-Affäre ist die Klage eines Tiguan-Besitzers gegen ein Bochumer Autohaus gescheitert. Das entschied das Landgericht Bochum am Mittwoch.
- VW-Kunde aus Bochum wollte das Geld für seinen Tiguan zurück und klagte gegen den Händler
- Gericht entschied: Autohaus muss den Wagen nicht zurücknehmen
- Der Mangel und der dadurch entstandene Schaden seien zu gering für einen Rückgabe-Anspruch
Im ersten deutschen Prozess um die VW-Abgas-Affäre ist der Eigentümer eines Tiguan-Diesels mit seiner Klage in erster Instanz gescheitert. Er wollte wegen der Mängel an seinem noch jungen Fahrzeug (Neupreis: fast 38 000 Euro) den Kaufvertrag rückabwickeln – abzüglich einer Nutzungsminderung in Höhe von 2500 bis 4000 Euro. Doch das Landgericht wies die Klage ab.
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Richter Ingo Streek meinte, dass der Tiguan wegen der manipulierten Abgaswerte zwar einen Mangel habe. Dennoch berechtige dies nicht dazu, den Wagen an den Autohändler zurückgeben zu dürfen, weil es hierfür an der dazu erforderlichen „erheblichen Pflichtverletzung“ des Beklagten fehle. Das Autohaus sei ausschließlich Verkäuferin, nicht Hersteller. Deshalb könne dem Autohaus ein Verschulden von VW nicht zugerechnet werden. „Der Händler war sicher nicht eingeweiht“, sagte Richter Streek, und VW sei in diesem Verfahren nun einmal nicht beklagt. Erst müsse dem Händler das Recht und die Gelegenheit zur Beseitigung des Mangels eingeräumt werden, „bevor es ein Recht auf Rückabwicklung geben könnte“.
Die Kosten des Austausches der „Schummel-Software“ bzw. das Update der Motorsteuerung sollen bei nur rund 100 Euro liegen und rund 30 Minuten dauern, hieß es im Prozess. Damit läge der Schaden unter einem Prozent des Wertes des Tiguan und unterschreite somit die gesetzliche „Bagatellgrenze“.
„Das ist eine Einzelfallentscheidung“
Landgerichtssprecher Michael Rehaag betonte nach dem Urteil aber auf dem Gerichtsflur: „Das ist eine Einzelfallentscheidung.“ Bei anderen Fahrzeugen könne eine gerichtliche Entscheidung völlig anders ausfallen. Wenn zum Beispiel ein älterer und kleinerer VW, der von der Manipulation betroffen sei, viel weniger wert sei und die Beseitigung des Schadens teurer würde als jene 100 Euro, könne die „Bagatellgrenze“ leicht überschritten werden.
Ohnehin wird das Bochumer Urteil vom Mittwoch jetzt in der Berufung überprüft. Kläger-Anwalt Dietrich Messler aus Bochum hat schon nach dem ersten Verhandlungstag vor zwei Wochen den Gang vor das Oberlandesgericht Hamm angekündigt, sollte die Klage in Bochum abgeschmettert werden.
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Messler kann die Sichtweise des Richters nicht nachvollziehen. Es sei noch nicht einmal klar, zu welchem Zeitpunkt denn der Tiguan in die Werkstatt zurückgerufen werde. Und auch nach dem Update der Software sei nicht sicher, ob der Wagen dann nicht vielleicht an Leistung einbüße und auch mehr Sprit verbrauche. Zwischen Prozessauftakt am 2. März und dem heutigen Urteiltag (16.) war eine außergerichtliche Einigung zwischen den Parteien versucht worden. Ziel: Das Autohaus nimmt den Tiguan zu einem bestimmten Preis zurück, wenn der Kläger, ein Uni-Professor und Stammkunde des Autohauses, dort gleichzeitig ein neues Fahrzeug kauft. Ein solcher Vergleich scheiterte aber, weil das Autohaus einen Rückzieher machte. Messler glaubt: auf Druck des VW-Konzerns.
Anwälte gründen „Fachkreis Abgasskandal“
Unterdessen hat sich in der VW-Abgas-Affäre ein „Fachkreis Abgasskandal“ gebildet. Er setzt sich zusammen aus mehreren Rechtsanwaltskanzleien, darunter die Bochumer Kanzlei „Jordan Meyer Fuhr“, die rund 300 Mandate in dieser Sache vertritt. Insgesamt vertritt der Fachkreis eigenen Angaben zufolge mehr als 20 000 Geschädigte des Abgas-Skandals.
Der Fachkreis ist davon überzeugt, dass der Anspruch auf Rückgabe betroffener Fahrzeuge durch die Geschädigten sehr wohl Aussicht auf Erfolg habe. Gleiches gelte für Ansprüche auf Neulieferung und Schadensersatz bzw. -Minderung. Die bestehenden Erfolgsaussichten würden außerdem von unabhängigen Schiedsgutachtern bestätigt. Es würden deshalb hunderte Klagen gegen VW, Audi, Skoda, Seat und die Händler auf den Weg gebracht. Keinesfalls solle die neue Software vorbehaltlos akzeptiert werden, weil ansonsten der Verlust aller Ansprüche drohe.
Die Rückabwicklung könne nach der Rechtsprechung des BGH bereits dann verlangt werden, wenn auch nach einer Nachbesserung noch ein Minderwert des Fahrzeugs verbleibe.
Das aber werden letztlich nur die Gerichte entscheiden.