Bochum. Alternative Heilmittel wie Misteln können zwar kein Ersatz, sehr wohl aber eine Ergänzung bei einer Krebstherapie sein. Das wurde beim WAZ-Nachtforum deutlich.

Heilmittel aus der Natur können und dürfen bei einer Krebserkrankung niemals ein Ersatz für die klassische Medizin sein. Sehr wohl können sie aber die Folgen einer Krebstherapie lindern und dabei helfen, wieder gesund zu werden. Das sind die wichtigsten Botschaften des WAZ-Nachtforums am Donnerstagabend im Knappschaftskrankenhaus Langendreer.

Druiden waren nicht zugegen, als Klinikdirektor Wolff Schmiegel und WAZ-Redaktionsleiter Thomas Schmitt rund 100 Leser in der Cafeteria der Uni-Klinik begrüßten. Dafür aber drei erdverwachsene Medizin-Experten, die über die Chancen und Risiken alternativer Krebstherapien informierten.

Die Mistel ist kein Heilsbringer, aber auch nicht Scharlatanerie

Der Onkologe und Naturheilkundler Dr. Martin Flür lichtete das Dickicht der unzähligen, mehr oder weniger seriösen Naturheilkundeangebote – und rückte die Mistel in den Blickpunkt. Das Sandelholzgewächs gilt als die Pflanze, die von Krebspatienten am längsten und häufigsten verwendet wird. Zurecht, widerspricht Martin Flür manchem Kritiker. Die Mistel sei kein Heilsbringer. Inzwischen sei aber wissenschaftlich anerkannt, dass Mistel-Extrakte bei Krebs alles andere als Scharlatanerie seien. Ein- bis dreimal pro Woche unter die Haut gespritzt, könne der Wirkstoff dem Körper nachhaltig Hilfe zur Selbsthilfe leisten, das Immunsystem stärken und Schmerzen vermindern: „auch während einer Chemotherapie“, so Martin Flür.

Das haben auch die Krankenkassen erkannt. Laut Dr. Flür übernehmen sie die Kosten für eine Misteltherapie bei Krebs – wenn auch nur im fortgeschrittenen Stadium. Für Selbstzahler fallen monatlich rund 100 Euro an. Ihnen rät der Facharzt: „Lassen Sie sich ein Privatrezept ausstellen. Dann können Sie die Kosten zumindest beim Finanzamt geltend machen.“

Warnung vor Wechselwirkungen

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Selen, Zink, Salbei, Ingwer, Thymus oder – Gegenstand aktueller Forschungen – Aloe Vera und Großpilze aus der Traditionellen Chinesischen Medizin zählten zu den weiteren pflanzlichen und tierischen Präparaten, die als Ergänzung bei einer Krebstherapie sinnvoll sein könnten, so Dr. Flür.

Dabei sollten die Patienten unbedingt auf gefährliche Wechselwirkungen achten, warnt Klinik-Apotheker Jens Peucker. Aus dem Krankenhausalltag weiß er, dass Patienten mitunter 20 und mehr Medikamente einnehmen. Kommen – meist per Selbstmedikation -- weitere Wirkstoffe hinzu, könne es zu lebensbedrohlichen Risiken kommen. Beispiel: das Johanniskraut, das zwar bei Depressionen helfen, aber eine Chemotherapie dramatisch schwächen könne.

Grundsätzlich befürwortet auch der Apotheker alternative Krebstherapien mit Vitaminen, Mineralstoffen, Misteln, Selen oder – wenn auch noch mit Vorsicht – Ginseng-Extrakten. Wichtig sei es aber immer, den behandelnden Arzt umfassend zu informieren, was man schluckt oder spritzt. „Verschweigen Sie nichts – weder in der Praxis noch im Krankenhaus“, appelliert Peucker. Sonst könnten es just die vermeintlichen Gesundmacher aus der Natur sein, die den Patienten krank machen. Todkrank.

Leukämie-Patientin berichtet: Sport hat mir auf die Beine geholfen

Sonja Hasenkopf hat die Hölle hinter sich gelassen. Am Himmel zeigen sich noch manch düstere Wolken. Doch immer häufiger scheint wieder die Sonne im Leben der 46-Jährigen, die eine Leukämie-Erkrankung überwunden hat – auch mit Mitteln abseits der Schulmedizin, wie sie im Patientengespräch beim WAZ-Nachtforum erzählte.

Vor zwei Jahren erkrankte Sonja Hasenkopf an Blutkrebs. Glück im Unglück: Ihre Zwillingsschwester kam als Stammzellen-Spenderin infrage. Der Weg zurück in den Alltag war und ist gleichwohl beschwerlich. „Den größten Rückhalt gibt mir meine Familie“, sagt sie. Parallel zur Krebstherapie zeigten auch Vitamingaben Erfolge.

Als wichtigsten „Gesundmacher“ bewertet Sonja Hasenkopf den Sport. Noch im Krankenbett begann sie mit ersten Übungen. Bald schwang sie sich aufs Fahrrad: „Der Sport hat mir geholfen, wieder auf die Beine zu kommen.“

Bewegung hat positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf

Dr. Michael Steckstor sprach im Knappschaftskrankenhaus über die Bedeutung von Sport in der Krebstherapie.
Dr. Michael Steckstor sprach im Knappschaftskrankenhaus über die Bedeutung von Sport in der Krebstherapie. © FUNKE Foto Services

Das kann Dr. Michael Steckstor nur bestätigen. Sport könne einer Krebserkrankung nicht nur vorbeugen. Bewegung habe auch positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf. So sei die Sterblichkeitsrate bei sportlich aktiven Brustkrebs-Patientinnen nach zehn Jahren um 30 Prozent geringer, berichtet der Oberarzt der Medizinischen Klinik. Ähnliche Ergebnisse gebe es bei Dickdarm- und Prostatakrebs.

Schon unmittelbar nach einer OP sei die einst verordnete Bettruhe der falsche Wege. So schnell so mobil wie möglich: Das sei in der Krebstherapie das – auch wissenschaftlich fundierte – oberste Gebot. Eine spezielle „Krebs-Sportart“ gebe es dabei nicht, so Steckstor. Ideal sei eine Mischung aus Ausdauer, Kraft und Gymnastik mit einem Puls von 180 minus Lebensalter: „Das kann auch eine Stunde Gehen pro Tag sein.“ Wichtig sei allein, die Fitness-Einheiten mit dem Arzt abzusprechen.

Sonja Hasenkopf bleibt auf Kurs: Inzwischen hat sie sich in einem Fitnessstudio angemeldet.