Bochum. Die Hygiene am Krankenbett stand im Blickpunkt des WAZ-Nachtforums im Knappschaftskrankenhaus Langendreer.

Der Kampf ist aussichtslos. „Es kann und wird niemals gelingen, eine Klinik komplett keimfrei zu machen“, sagt Hans-Peter Jochum, Geschäftsführer des Knappschaftskrankenhauses Langendreer. Welche Anstrengungen die Uni-Klinik (wie auch die anderen Bochumer Kliniken) gleichwohl unternimmt, um die Erreger zu verbannen, erfuhren am Donnerstagabend die Besucher des WAZ-Nachtforums.

Es war ein außergewöhnliches, ein heikles WAZ-Forum. Denn nicht eine Krankheit, sondern Krankmacher standen im Blickpunkt: Bakterien, die sich in 100-Billionen-Stärke (das entspricht zwei Kilo unseres Gewichts) auf und im Körper ansiedeln. Meist folgenlos. Mitunter, etwa im Darm, sogar hilfreich. Doch immer dann gefährlich, wenn das Immunsystem angegriffen ist. Ein Krankenhaus ist daher besonders anfällig. Wenn Keime auf geschwächte Patienten treffen, herrscht Alarmstufe Rot. Bis zu 30.000 Patienten jährlich, schätzt die Deutsche Krankenhausgesellschaft, sterben, weil sie sich in der Klinik infiziert haben. Denn: Bei immer mehr Keimen zeigen Antibiotika keine Wirkung mehr. Sie sind multiresistent.

15 Patienten derzeit isoliert

„Immens“ seien die Vorkehrungen, die das Knappschaftskrankenhaus treffe, betont Geschäftsführer Jochum. Jährlich 1,5 bis zwei Millionen Euro lasse sich das Haus die Klinikhygiene kosten, davon allein 500.000 Euro für die Laboruntersuchungen der Nasen-Rachen-Abstriche, die bei jedem Risikopatienten (u.a. chronisch Kranke, Altenheimbewohner, Diabetiker) vorgenommen werden. Dabei sei der berühmt-berüchtigte MRSA-Keim nicht mehr das größte Problem, erklärt Oberärztin Dr. Yasemin Albayram. Er könne inzwischen schnell erkannt und binnen fünf Tagen behandelt werden, etwa mit speziellen Salben und Lotionen. Hauptgegner sei das MRGN-Virus, gegen das es kein Mittel gibt. Eine „Sanierung“, wie es die Fachärzte nennen, ist bei MRGN nicht möglich. Im Krankenhaus sei daher eine strikte Isolierung des Patienten im Einzelzimmer nötig.

Vorträge sind online nachzulesen

Die Vorträge des WAZ-Nachtforums können auf der Internetseite des Knappschaftskrankenhauses nachgelesen werden: www.kk-bochum.de

Das nächste WAZ-Medizinforum in Langendreer folgt am 8. September. Dann geht es um die Anästhesie. Das Thema lautet: „Macht Narkose delirant oder dement?“

In Langendreer sieht man sich für den Kampf gegen die „Killer-Keime“ gut aufgestellt. Der Nutzen eines generellen Händeschüttel-Verbots (wie in der Augusta-Klinik) wird ebenso infrage gestellt wie das Screening aller Neuaufnahmen (wie es das Katholische Klinikum praktiziert). Überhaupt warnt Klinikchef Prof. Richard Viebahn bei aller Wachsamkeit vor Hysterie: Im vergangenen Jahr wurde jeder zweite der 20.000 stationären Patienten getestet. Lediglich ein Prozent der Abstriche fiel positiv aus. Aktuell sind 15 Patienten wegen MRSA oder MRGN isoliert.

Handhygiene spielt die entscheidende Rolle 

Welcher ist der sicherste Ort in der Wohnung? „Die Toilette“, sagt Dr. Hartmuth Nowak. „Die wird in der Regel am häufigsten gereinigt.“

Beim WAZ-Nachtforum im Knappschaftskrankenhaus zeigte der Oberarzt auf, wo sich das Billionenheer an Bakterien besonders massiv einnistet. Nicht auf dem Klo, wie mancher vermutet. Sondern auf Alltagsgegenständen wie Handy, Tastatur, Handtuch oder Spülschwamm, die seltener geputzt bzw. gewechselt werden.

Umso wichtiger sei das nicht nur regelmäßige, sondern sorgfältige Händewaschen. Reichen daheim oder im Büro meist Wasser und Seife aus, sei im Krankenhaus eine Desinfektion unerlässlich – erfolgen 90 Prozent aller Keim-Übertragungen doch über die Hände. 7300 Liter Desinfektionsmittel wurden 2015 in der Uni-Klinik verbraucht, schildert der Hygienebeauftragte Martin Niebius. Das entspricht 36 Badewannen. Ausreichend, die Hände so zu säubern, dass sämtliche Viren abgetötet werden. Der Experte weiß, wie’s geht: Drei Milliliter (heißt: zwei Hübe aus dem Spender) in die hohle Hand geben, 30 Sekunden gründlich einmassieren und – ganz wichtig – auch die Finger-Zwischenräume, Daumen und Handgelenke nicht vergessen.

Desinfektionsspender an jedem Bett

Ärzte und Pfleger sind per Dienstanweisung angehalten, den Hygienevorschriften penibel zu folgen. Tipp: Wo das Klinikpersonal Ringe, Uhren oder Nagelschmuck trägt, ist Vorsicht geboten; das alles ist nämlich verboten. „Und wie verhält es sich mit dem Reinigungsdienst?“, fragt eine Leserin und bemängelt, dass die Sauberkeit in manchen Krankenzimmern sehr zu wünschen übrig lasse. Geschäftsführer Hans-Peter Jochum stellt sich vor die hauseigenen Putz-Kolonne: „Die Damen geben ihr Bestes.“ Eine hundertprozentige, sterile Sauberkeit könne im Klinikalltag jedoch nie erreicht werden.

Immerhin soll die Patientenhygiene verbessert werden. Ziel: An jedem Bett soll künftig ein Desinfektionsspender angebracht sein.