Bochum. Tausende Industrie-Arbeitsplätze sind in Bochum verloren gegangen. Neuansiedlungen werden durch die Rahmenbedingungen erschwert.
- Einst war die Industrie der dominierende Wirtschaftssektor in Bochum, heute stellt er nicht einmal 20 Prozent aller Arbeitsplätze
- Die Industrieakzeptanz haben in den vergangenen Jahren gelitten, so die Industrie-Initiative
- Auch Wirtschaftsförderer Ralf Meyer sagt, die Gesellschaft habe die Arbeit aus den Augen verloren
Klappern gehört bekanntlich zum Handwerk – und längst auch zur Industrie, möchte man anschließen. Längst schon hat der einst im Ruhrgebiet alles überstrahlende Wirtschaftssektor seine Bedeutung verloren. Heute muss sich die Industrie schon um Anerkennung und Aufmerksamkeit bemühen.
"Industrieakzeptanz hat gelitten"
Während der „Woche der Industrie“ ließ sie Werbespots in Kinos laufen, organisierte 115 Veranstaltungen, öffneten Betriebe ihre Pforten oder sollte ein metergroßes Plakat am Parkhaus neben dem Bahnhof Aufmerksamkeit erzeugen. „Die Industrieakzeptanz hat in den vergangenen Jahren in einer zum Teil aufgewühlten wirtschaftspolitischen Debatte gelitten“, beklagt Dirk W. Erlhöfer, Geschäftsführer der „Industrie-Initiative Mittleres Ruhrgebiet. Er fordert: „Wir brauchen dringend ein neues Grundempfinden in der Bevölkerung für die Bedeutung der Industrie.“
Beschäftigtenzahl in Industrie und Gewerbe nimmt immer weiter ab
Deren Niedergang in Bochum lässt sich an schwindelerregenden Zahlen ablesen. Seit Mobilphone-Hersteller Nokia 2008 sein Werk in Riemke geschlossen hat und 2800 Beschäftigte entließ, gingen mindestens 6000 weitere Arbeitsplätze in der Industrie verloren. Noch einmal 600 werden folgen, wenn im Frühjahr 2017 der Autozulieferer Johnson Controls seine Tore schließt.
Einst deckten Industrie und produzierendes Gewerbe mehr als 50 Prozent der Beschäftigten in der Stadt ab. Heute ist deren Zahl nach Angaben der IHK auf etwa 20 000 Mitarbeitern in 521 Betrieben und ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigtenzahl damit auf deutlich unter 20 Prozent gesunken. Das liege, so Erlhöfer, an der mangelhaften Akzeptanz in der Bevölkerung, aber auch an zu komplizierten Genehmigungsverfahren und industriefeindlichen umweltpolitischen Alleingängen. „Diese verhindern Innovationen und Investitionen und damit auch Arbeitsplätze.“
Dienstleistungssektor als Jobmotor
Große Hoffnungen setzt die Initiative in Mark 51/7 – einer 70 Hektar großen, ausgewiesenen Industrie- und Gewerbefläche. Allein es fehlt dort noch eine Ansiedlung aus dem produzierenden Sektor.
„Dass es noch einmal zu Ansiedlungen von großen Unternehmen wie Thyssen-Krupp oder Bochumer Verein kommt, halte ich für ausgeschlossen“, sagt Ralf Meyer, Geschäftsführer der Wirtschaftsentwicklungs-Gesellschaft (WEG). „Aber dass wir eine Fertigung nach Bochum bekommen, die industriellen Charakter hat, halte ich durchaus für möglich.“ Die Stadt habe dafür gute Voraussetzungen. Dass sich der Logistiker DHL bereits auf Mark 51/7 platziert hat und überhaupt die Logistik in der Region weiter wächst, ist aus Sicht von Meyer kein Widerspruch. Er ist überzeugt:„Der Jobmotor in den nächsten Jahren wird sicher der Dienstleistungssektor sein. Aber die Grundlage dafür ist die Fertigung.“
Im übrigen teilt der WEG-Chef die Einschätzung der Industrie-Initiative, es gebe zu wenig Akzeptanz für Industrie und produzierendes Gewerbe. „In den vergangenen Jahren wurde viel über wichtige Themen wie Umwelt und Wohnraum gesprochen. Und dabei hat man aus den Augen verloren, dass die Grundlage all dessen die Arbeit ist. Und die industrielle Produktion ist ein wichtiger Teil der Arbeitswelt.“