Bochum. Vermutlich nur noch acht Monate wird bei Johnson Controls in Bochum produziert. Der Automobilzulieferer kündigte am Freitag die Werksschließung an.
Der Automobilzulieferer Johnson Controls schließt sein Werk in Bochum. 420 Beschäftigte sind von der Maßnahme des US-Konzerns betroffen, der in jüngster Zeit bereits einige Werke in Deutschland geschlossen hat. Die Mitarbeiter können in eine Transfergesellschaft wechseln und erhalten eine Abfindung, deren Höhe Betriebsratsvorsitzender Michael Munsch als „akzeptabel“ bezeichnete.
Betriebsstilllegung bereits in diesem Jahr
Der Betriebsrat hatte in den vergangenen Monaten bereits einen Sozialplan mit dem Unternehmen ausgehandelt. Mit einem 30-stündigen Produktionsstopp hatte er die Geschäftsführung an den Verhandlungstisch gezwungen.
Ende April 2017 läuft die Drei-Schicht-Produktion von täglich bis zu 1750 Autositzen für den Bau des Ford Fiesta in Köln aus. Weder dafür noch für die Herstellung von Sitzen für den Opel Zafira, die im Dezember 2014 mit dem Aus des Opel-Werks in Bochum endete, hatte Johnson Controls Ersatz gefunden.
„Wir haben uns aktiv bemüht, Folgeaufträge für das Werk zu erhalten und bedauern die Schließung des Standortes sehr“, kommentiert Eckard Semmler, Vorstandsmitglied von Johnson Controls Automotive Experience in Europa, den Entschluss des Unternehmens. Die Betriebsstilllegung soll bereits in diesem Jahr beginnen.
Kein Glaube an neue Aufträge
Überrascht von der Nachricht war am Freitagmittag beim Schichtwechsel keiner der Beschäftigten mehr. „Die Schließung hat sich ja abgezeichnet“, so Betriebsratsvorsitzender Munsch. An neue Aufträge habe zuletzt niemand mehr geglaubt. „Deshalb haben wir uns auch intensiv um einen Sozialplan bemüht.“ Die Zeit der Enttäuschung und Wut liege bereits hinter den Beschäftigen. Für sie werde es nun darauf ankommen, sich in der einjährigen Transfergesellschaft für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Viele Mitarbeiter sind ungelernte Kräfte, mit 47 Jahren ist das Durchschnittsalter der Belegschaft relativ hoch.
Die Schließung des 1989 errichteten Johnson-Controls-Werks, in dem zu Spitzenzeiten 770 Mitarbeiter beschäftigt waren, ist ein weiterer Tiefschlag für den Industriestandort Bochum. Nach dem Aus des Opel-Werks Ende 2014, von dem 3300 Beschäftigte betroffen waren, folgten 2015 die Schließung des Outokumpu-Stahlwerks (230) und des Getriebeherstellers Jahnel Kestermann (100). Binnen zweieinhalb Jahren verliert die Stadt damit etwa 4000 Industrie-Arbeitsplätze.
Gründung einer Transfergesellschaft
Überrascht war niemand mehr, als das Management am Freitagmittag zum Wechsel von Früh- und Tagschicht die Bänder stoppen ließ und einem Großteil der 420-köpfigen Belegschaft die Werksschließung von Johnson Controls ankündigte. Ende April 2017 werden sie arbeitslos sein. Aber immerhin gehen sie nicht mit leeren Händen.
„Einen neuen Auftrag zu bekommen und umzusetzen, dauert einige Zeit. Als die Frist dafür verstrichen war, war uns klar, dass es zu Werksschließung kommen würde“, sagt Betriebsratsvorsitzender Michael Munsch. Deshalb habe der neue Betriebsrat auf Wunsch der Belegschaft sich bemüht, schnell einen Sozialplan mit möglichst guten Bedingungen zu verhandeln. „Und ich denke dass ist uns gelungen“, so Munsch. Die meisten Beschäftigten hätten sich zufrieden gezeigt.
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Jeder Beschäftigte wird nach folgender Formel abgefunden: Zum Sockelbetrag von 10 000 Euro kommen 1250 Euro, die mit der Anzahl der Betriebszugehörigkeitsjahre multipliziert werden. Dazu addiert wird das Produkt aus „Bruttolohn x 1,5 x Anzahl der Betriebszugehörigkeitsjahre“. Bei einem Bruttolohn von 2500 Euro und zehnjähriger Zugehörigkeit zum Unternehmen wären dies unterm Strich 60 000 Euro brutto. „Akzeptabel“, sagt Michael Munsch.
Schließung bedauerlich aber absehbar
Die Hoffnung auf einen Folgeauftrag sei auch deshalb geschwunden, weil die Zahl von Autoherstellern in der Region begrenzt sei – und nur die seien in Frage gekommen, da Zulieferteile in der Regel „just in time“ produziert und direkt zum möglichst nah gelegenen Abnehmer gebracht werden. Die Sitze des neuen Ford Fiesta baut ein anderer Zulieferer. Und selbst wenn Johnson Controls für die Lieferung von Sitzen für den in Düsseldorf gebauten Mercedes Sprinter in Frage gekommen wäre, hätte dies bestenfalls eine Produktion von täglich 800 Sitzen für eine Vorderbank bedeutet. Die Kapazität in Bochum aber liege bei 1700 Vorder- und Rücksitzen.
Als „bedauerlich“, wenn auch zuletzt absehbar, bezeichnet Volker Strehl, 2. Bevollmächtigter der IG Metall, die Werksschließung.Auch die Gewerkschaft wird darunter leiden. Erfahrungsgemäß verliert sie mit einer Schließung Mitglieder.
Das Aus von Opel, wo die Mehrheit der 3300 Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert war, habe zum Verlust von mehr als der Hälfte geführt. Derweil betont Dirk W. Erlhöfer, Geschäftsführer der Initiative Industrie Mittleres Ruhrgebiet, die Schließung dürfe nicht als Abkehr vom Industriestandort Bochum gedeutet werden. Es sei mehr denn je wichtig, Flächen für Industrieansiedlungen bereit zu stellen. Denn: „Logistik ist kein Heilsbringer.“