Die Passionsspiele lockten einst Tausende nach Bochum
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Bochum. Die Freilichtbühne am Wienkopp in Sundern ist heute so gut wie vergessen. Anfang der 1930er Jahre war sie ein gefragter Veranstaltungsort.
Die Freilichtbühne am Wienkopp nahe der Sternwarte in Sundern ist heute so gut wie vergessen.
Im Frühjahr 1931 war mit dem Bau begonnen worden, Initiator war Pfarrer Ostermann aus Linden.
Unter anderem fanden hier Passionsspiele und Märchenaufführungen statt.
Sundern ist den Meisten wegen der Sternwarte ein Begriff. Das Radom am ehemaligen „Kap Kaminski“ ist heute ein technisches Museum und eine wissenschaftliche Forschungsstätte.
Ganz in der Nähe des großen, weißen „Ei“ des Radoms liegt abseits der Obernbaakstraße versteckt im Wald eine andere Sunderaner Attraktion, besser gesagt: das, was davon übrig ist. Die Rede ist von der Freilichtbühne Sundern, gelegen am Wienkopp.
Pfarrer Heinrich Ostermann als treibende Kraft
„Wienkopp“ heißt nicht nur ein Traditionslokal an dieser Stelle, vielmehr beschreibt der Begriff ein 90 Meter über dem Ruhrtal aufragendes Gelände, das der Lindener Pfarrer Ostermann 1931 gepachtet hatte, um dort eine Freilichtbühne mit 6000 Sitzplätzen zu bauen.
Blick in die Stadtgeschichte
Vieles, was einmal in Bochum war, ist inzwischen vergessen. Aber manches wissen die alten Bochumer noch von früher. Und die jungen sind neugierig, es zu erfahren.
Mit „Bochum historisch“ wirft die WAZ einen Blick in die Stadtgeschichte. Unter dem Motto „So sah Bochum einmal aus“ werden verschwundene und noch sichtbare Gebäude besucht.
Wegen des großen Anklangs, den die Reihe findet, ist „Bochum historisch“ im Herbst 2016 auch als Buch im Klartext-Verlag erschienen. ISBN: 978-3-8375-1674-6; 12,95 Euro.
Übrigens: Jürgen Boebers-Süßmann, der Autor von "Bochum historisch", ist auch auf Facebook.
Heinrich Ostermann ist im Bochumer Süden bis heute eine Bekanntheit, immerhin war der Geistliche von 1929 bis 1967 – 38 Jahre! – in der Lindener Liebfrauengemeinde als Pfarrer tätig.
Der Name „Wienkopp“ geht auf eine Opferstätte zurück
Der Name „Wienkopp“ geht auf eine heidnische Opferstätte zurück („geweihter Kopp“). Die Bühne wurde auch an dieser bestimmten Stelle gebaut, weil hier die natürlich Akustik besonders gut war. Im Frühjahr 1931 wurde mit dem Bau begonnen, 30 000 Besucher kamen schon zur ersten Aufführung („Parsifal“). Die Freilichtbühne wurde schnell über Bochum hinaus bekannt, doch diente sie nicht nur der Unterhaltung, sondern auch der religiösen Erbauung.
1932 standen Passionsspiele mit 300 Darstellern im Mittelpunkt des Programms, „die nach späteren Berichten des Pfarrers Ostermann von insgesamt 80 000 Zuschauern besucht wurden“, wie der Heimatforscher Clemens Kreuzer weiß. Beim „Jedermann“-Spiel im Jahr darauf waren es 70 000 Besucher.
Die Nazis lösten die Freilichtbühne auf
Eine Wiederholung der Sunderaner Passionsspiele gab’s 1934, das war’s dann aber auch. Erst gab es ständige Schikanen, zumal gegen Pfarrer Ostermann, dann lösten die Nazis am 12. Dezember 1935 die Freilichtbühne Wienkopp e.V. auf.
Religiös grundierte Festspiele waren nicht mehr genehm; die Partei nutzte die Bühne fortan selbst für Veranstaltungen. Heinrich Ostermann wurde diskreditiert und sollte später in Berlin verurteilt werden. Ihm gelang aber die Flucht, und er kam nach Kriegsende nach Bochum zurück.
In den 1950er Jahren wurde die Bühne aufgegeben
Die im Krieg demolierte Anlage wurde in Eigenarbeit wiederhergestellt, 1949 wurde vor Beginn des Deutschen Katholikentags in Bochum die „Große Volkspassion“ aufgeführt. Bald stellte sich heraus, dass die Freilichtbühne am Wienkopp wirtschaftlich keine Chance mehr haben würde. In den 1950er Jahren wurde sie aufgegeben. Ihre baulichen Reste kann man heute im Wäldchen gegenüber der Sternwarte noch auf sich wirken lassen.
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