Bochum. Nicht nur Hightech-, auch einfache Arbeitsplätze sollten geschaffen werden, sagt Bochums Jobcenter-Chef Frank Böttcher.
- Etwa 7400 Frauen und Männer in Bochum sind langzeitarbeitslos
- Für sie eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden, ist enorm schwierig
- Ein sozialer Arbeitsmarkt könnte im Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit helfen, sagt Jobcenter-Geschäftsführer Frank Böttcher
Duisburg bekommt einen neuen Logistikpark. In Herne lässt die Spedition Duvenbeck ihren neuen Verwaltungssitz bauen. In Bochum indes wird die Branche, die sich mit dem Umschlag von Gütern beschäftigt, trotz des Baus eines DHL-Megapaketzentrums 2017/18 auf dem früheren Opel-Gelände eher kritisch betrachtet.
Dabei könnte Logistik helfen, das Beschäftigungsproblem zu lindern. Auch Langzeitarbeitslose könnten profitieren, sagt der neue Jobcenter-Geschäftsführer Frank Böttcher (48). Deren Situation sei auf einem Arbeitsmarkt wie dem in Bochum, auf dem nur noch 15 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten auf Helferniveau arbeiten, besonders schwierig.
Verbesserungsbedarf im Jobcenter
Etwa 7400 Frauen und Männer in der Stadt sind langzeitarbeitlos, „75 Prozent von ihnen haben keine oder keine verwertbare Ausbildung“. Sie zu qualifizieren, sei ein wichtiger Baustein bei der Arbeit des Jobcenters. So würden 50 Prozent der Eingliederungsmittel – die 2016 nach einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 35 Prozent insgesamt immerhin 25 Millionen Euro ausmachen – in die Förderung beruflicher Weiterbildung gesteckt. Aber: „Wenn ich Unternehmen hier habe, die Arbeitsplätze anbieten, wo der Anspruch ein nicht ganz so hoher ist, und das sind auch Logistiker, dann kann uns das schon weiterhelfen“, so Böttcher. Bei Ansiedlungen müsse es um einen Mix gehen. Bochum brauche High-Tech-Arbeitsplätze ebenso wie solche für geringer Qualifizierte.
Verbesserungsbedarf sieht der gebürtige Kieler, der seit mehr als 30 Jahren in Duisburg lebt, auch beim Instrumentarium im eigenen Haus. „Was mir manchmal fehlt, ist, dass etwas längerfristig ausgerichtet ist.“ Für einen Teil der Jobcenter-Kunden wäre es hilfreich, „wenn wir ohne zeitliche Limitierung einfach mal anfangen könnten zu arbeiten und mit langem Atem versuchen, was geht.“ Es fehle eine Ergänzung im Instrumentarium im Sozialgesetzbuch II. „Und viele der Akteure in Bochum sehen das genauso.“
Flüchtlinge können ein Gewinn sein
Ein sozialer Arbeitsmarkt wäre hilfreich. „Ich glaube, dass wir den Betroffenen, wenn wir sie in einen geschützten Rahmen bringen, vielleicht wieder eine berufliche Perspektive geben können, die heute unmöglich erscheint.“ Verhindert werden könnte außerdem, dass sich Arbeitslosigkeit geradezu vererbe, weil Kinder nicht mehr erleben, dass ihre Eltern zur Arbeit gehen.
Neben der Langzeitarbeitslosigkeit ist aus Sicht des Jobcenter-Chefs die Integration von Flüchtlingen die zweite große Herausforderung. Etwa 3500 Flüchtlinge, deren Asylverfahren abgeschlossen ist, betreut das Jobcenter Bochum derzeit. „Momentan zwischen 1700 und 1800 kommen für den Arbeitsmarkt in Frage.“ Sie können, so Böttcher, zum Gewinn werden. „Aber wie bei den meisten Gewinnen muss man erstmal investieren.“ Fünf Jahre dauere es, bis gut qualifizierte, deutschsprachige Fachkräfte zur Verfügung stehen.
„Momentan schicken wir niemanden zurück“
Herr Böttcher, die Wohnsitzpflicht im Integrationsgesetz hat für Aufregung gesorgt. Wie geht das Jobcenter Bochum mit dem Thema um?
Frank Böttcher: In Absprache mit unseren Trägern, der Stadt und der Bundesagentur für Arbeit, schicken wir momentan niemanden zurück, der vor dem 6. August in Bochum war, weil das aus unserer Sicht integrationspolitisch und menschlich hochproblematisch wäre. Und wenn ich mir vorstelle, welche Gespräche notwendig wären, um das zu administrieren, würde sich zwangsläufig die Sicherheitsfrage stellen. Wegen der fehlenden landesrechtlichen Regelungen wäre es außerdem verwaltungstechnisch kaum machbar, die Menschen zurückzuschicken.
Es werden also alle bleiben dürfen, die bis zum 5. August nach Bochum gekommen sind?
Böttcher: Ich könnte mir vorstellen, dass es so kommt.
Flüchtlinge und Jobcenter
Was passiert mit den Flüchtlingen, die seit dem 6. August kommen und während des Asylverfahrens anderen Städten zugewiesen wurden?
Böttcher: Die werden zurückgeschickt. Das machen wir jetzt auch schon, weil wir in diesen Fällen keine Zuständigkeit haben. Wir nehmen den Antrag entgegen, leiten ihn aber weiter an die Dienststelle, die zuständig ist für den Bezirk, aus dem die Flüchtlinge jetzt kommen.
Gelegentlich kommt Kritik auf, Ihr Haus würde sich nur noch um Flüchtlinge kümmern, ihre anderen Kunden dagegen vernachlässigen.
Böttcher: Wir sind absolut bemüht, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Das drückt sich auch darin aus, dass wir dieses Jahr mehr Geld zur Verfügung haben als letztes Jahr und nächstes Jahr absehbar noch mehr Geld bekommen werden. Die 25 Millionen Euro, die wir 2016 als Eingliederungstitel zur Verfügung haben, werden für Langzeitarbeitslose ebenso eingesetzt wie für Flüchtlinge. Auch die Politik ist bemüht, zu verdeutlichen, dass wir etwas für die Flüchtlinge tun müssen, da geht es um eine möglichst schnelle Integration. Aber wird dürfen auch nicht den Eindruck entstehen lassen, dass wir für diejenigen, die schon länger hier sind und die unsere Hilfe brauchen, nichts mehr tun. Das würde in soziale Spannungen hineinführen,die nicht zu unterschätzen wären. Genauso agieren wir.