Bochum. Nur wenige Arbeitslose schaffen den Weg aus Hartz IV zurück zum sozialversicherungspflichtigen Job. Agentur-Chef: Qualifikation ist der Schlüssel.
- Nur jeder 40. Langzeitarbeitslose aus Bochum fand 2015 eine Arbeit oder eine Ausbildung
- Bei den Arbeitslosen aus der Arbeitslosenversicherung war es dagegen jeder Zehnte
- Die Freien Wohlfahrtsverbände fordern einen sozialen Arbeitsmarkt
Die Arbeitslosenquote in Bochum verharrt seit geraumer Zeit um die Zehn-Prozent-Marke. Bewegung gibt es auf dem lokalen Arbeitsmarkt aber trotzdem. Allein im Juni meldeten sich 3440 Personen arbeitslos, im gleichen Zeitraum fanden 3417 Frauen und Männer einen neuen Job.
Die Abgänge aus der Arbeitslosenstatistik haben allerdings unterschiedliche Hintergründe. Während von den Arbeitslosen aus der Arbeitslosenversicherung – denen also, die nicht länger als ein Jahr arbeitslos waren und Arbeitslosengeld (SGB III) bezogen – im Vorjahr immerhin jeder Zehnte eine Arbeit gefunden oder eine Ausbildung begonnen hat, gelang das von den Arbeitslosen im Hartz-IV-System (SGB II) – den Langzeitarbeitslosen – nur jedem 40sten.
Schlechte Eingliederungschancen
„Die Zahlen belegen, dass Arbeitslose im SGB II deutlich schlechtere Eingliederungschancen in den Arbeitsmarkt haben. Deshalb brauchen wir eine offensive Diskussion, wie wir es schaffen, besonders benachteiligte Arbeitslose nicht von Teilhabe auszuschließen“, sagt Ulrich Kemner, Caritas-Geschäftsführer und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Bochum. Aus seiner Sicht muss es längerfristig öffentlich geförderte Beschäftigung gegeben. „Am besten in Form von bezuschussten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. Das verstehen wir unter einem sozialen Arbeitsmarkt.“
Die Kritik daran ist ihm bekannt. An erster Stelle steht die Befürchtung, staatlich unterstützte Arbeit könnte bestehende Arbeitsplätze verdrängen und den Wettbewerb etwa im Bereich von Pflege, Haustechnik oder Garten- und Landschaftsbau verzerren. Fraglich sei auch, ob Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wirklich den Einstieg zum dauerhaften Verbleib im ersten Arbeitsmarkt ermöglichen.
Qualifikation als Schlüssel zum Erfolg
Aus Sicht von Luidger Wolterhoff, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Bochum, ist der Schlüssel zum Erfolg ein anderer: Er setzt auf Qualifikation und verweist darauf, dass etwa die Hälfte aller Arbeitslosen ohne abgeschlossene Ausbildung sei und zugleich die Zahl klassischer Helfertätigkeiten tendenziell abnehme. Wolterhoff: „Wer sich qualifiziert, der steigert seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt.“
Ulrich Kemner bestreitet das nicht. Angesichts eines verfestigten Blocks von Langzeitarbeitslosen und der Erkenntnis, dass von den Personen, die Hartz IV verlassen, in Bochum nur 13 Prozent eine Arbeit aufnehmen und viel mehr von ihnen Fördermaßnahmen bestreiten (32) oder unter die Kategorie „nichterwerbstätig“ fallen (46), etwa weil sie einen Angehörigen pflegen, gibt der Caritas-Chef zu bedenken: „Es geht auch um eine gesellschaftliche Aufgabe.“ Er verbindet dies mit einer rhetorischen Frage: „Wollen wir auf Dauer in einer Gesellschaft leben, in der ein beträchtlicher Teil der Menschen langfristig von Transferleistungen leben muss?“ Eher wohl nicht, zumal erwiesen sei, dass über Arbeit auch das Selbstwertgefühl von Menschen definiert werde.