Bochum. Jan Klata hat aus Fjodor Dostojewskis berühmtem Roman ein Bühnenabenteuer gemacht. Die Hauptrolle spiel Jana Schulz.

Zum Saisonstart hat sich das Schauspielhaus einen so düsteren wie packenden Stoff ausgesucht: Fjodor M. Dostojewskis „Verbrechen und Strafe“ (früher bekannt als „Schuld und Sühne“). Das Psycho-Drama um den Mörder Raskolnikow und seinen Überlegenheitswahn bringt ein alter Bekannter auf die Bühne: Jan Klata (*1973), Regisseur aus Krakau.

Klata hat am Schauspielhaus drei provozierende, aber auch überzeugende Produktionen abgeliefert. „Amerika“ nach Kafka, „Die Räuber“ von Schiller und zuletzt 2013 Shakespeares „Hamlet“ mit Dimitrij Schaad. Nun also Dostojewski als vierter Großdichter. „Eine gute Gesellschaft“, sagt der Regisseur schmunzelnd.

Über Leben und Tod

Er sei sofort angetan gewesen, als vor fast zwei Jahren die Bochumer Offerte für „Verbrechen und Strafe“ kam. „Das ist ein großer Stoff, ein weltbekanntes Buch. Und ich bin sicher, dass es nicht überholt ist“, sagt Klata. In seinem 1866 erschienenen Roman stellt Dostojewski die Frage, unter welchen Bedingungen ein Mensch einen anderen Menschen töten darf. Gibt es eine höhere Seinsstufe, die einem das Recht verleiht, über das Leben zu richten?

Gibt es den perfekten Mord?

Der Jurastudent Rodion Raskolnikow glaubt genau das: dass die Natur oder die Geschichte Auserwählte hatte, die über den anderen stehen: Napoleon zum Beispiel, oder er selbst. Um sich zu beweisen, dass keine Moral ihn in die Knie zwingen können, erschlägt er eine Pfandleiherin. Es soll der perfekte Mord werden und Raskolnikow will ungestraft und frei von Gewissensbissen weiterleben. Doch die Rechnung geht nicht auf.

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Klata ist als unorthodox denkender Künstler immer für Überraschungen gut; „Hamlet“ hatte er als Zitaten-Schatz-Kiste angelegt, weil er der Meinung war, dass man das Shakespeare-Großwerk nicht mehr als normales Stück spielen könnte, weil es von seiner Aufführungsgeschichte längst erschlagen worden sei.

Fiebrige Stimmung

Die erste Überraschung seiner Dostojewski-Einrichtung ist die Besetzung der Hauptrolle mit Jana Schulz. „Eine Premiere für mich, aber Jana ist die Beste, mit der ich je gearbeitet habe“, lobt Klata die Schauspielerin, die in Bochum als Kriemhild, Rose Bernd und Menuchim in „Hiob“ Großartiges geleistet hat. Die nervöse Spannung, die dem Roman eingebrannt ist, bringe Schulz „1:1 ‘rüber“, sagt Klata. Das Stück beginnt mit einer fiebrigen Stimmung in Raskolnikows engem Zimmer. Irgendetwas ist passiert – nur was? Für die Zuschauer entwickeln sich die Mord-Geschichte und ihr Motiv über Rückblenden.

Mehr als eine Kriminalgeschichte

Klata fasst „Verbrechen und Strafe“ als Kriminalgeschichte auf, aber er sieht darin auch Übergeordnetes. Die Frage, wie wir uns entscheiden, sei heute wichtiger denn je. „Wer entscheidet denn, was wichtig ist?“, fragt Klata rhetorisch. Wer entscheidet über den Unterschied, wer uns nahe steht und wer nicht? Im Roman ist es der Mord an einer Pfandleiherin, heute ist es die Drohne, die, von einem Mann am Computer gelenkt, angebliche Terroristen tötet. Wer entscheidet?

„Verbrechen und Strafe“ dürfte keine einfache Inszenierung werden, vielmehr das sinistre Psychogramm eines Mörders, dargestellt von einer hochsensiblen Schauspielerin, eingebettet in eine sinnlich-bilderstarke Ästhetik. Naturgemäß steht die Realismusebene zurück, und an Zitaten aus der Pop- und Politkultur wird es gewiss nicht fehlen. Alles andere wäre bei Jan Klata wirklich eine Überraschung!

Premiere 16.9., 19.30 Uhr, Schauspielhaus, Königsallee 15. Dauer 3:30 Stunden mit zwei Pausen, Restkarten an der Abendkasse