Bochum. Die Gewerkschaft Verdi wirft der Stadt Bochum unter anderem mangelnde Kontrolle der Sicherheitsdienste in Flüchtlingseinrichtungen vor.
- Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma, die in Flüchtlingseinrichtungen tätig war, wurden offenbar nicht bezahlt
- Verdi spricht von Versäumnissen der Stadt bei der Vergabe und Kontrolle des Sicherheitsauftrags
- Ähnliche Fälle sind der Gewerkschaft auch aus Köln und Solingen bekannt
Während Bochum die Unterbringung von Flüchtlingen durch die Einrichtung weiterer Standorte und die deutlich abgeschwächte Neuzuweisung mittlerweile gut in den Griff bekommen hat, scheint das Thema „Sicherheitsdienste“ zum Problem zu werden.
Nachdem etliche, zumeist ehemalige Beschäftigte einer Firma, die für den Sicherheitsdienst in sämtlichen größeren Bochumer Flüchtlingseinrichtungen zuständig war, öffentlich über ausbleibende Lohnzahlungen und nicht abgeschlossene Arbeitsverträge berichtet haben, gerät die Verwaltung unter Druck.
Auftraggeber ist verantwortlich
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi spricht von Versäumnissen bei der Vergabe und Kontrolle des Sicherheitsauftrags. Dabei spiele auch keine Rolle, dass die von der Stadt beauftragte Firma RSD einen Subunternehmer engagiert hat. „Der Auftraggeber bleibt trotzdem in der Verantwortung“, sagt Özay Tarim, als Verdi-Gewerkschaftssekretär in NRW zuständig für die Sicherheitsbranche. Er sei zu Kontrollen verpflichtet; auch sei die Beauftragung eines Subunternehmers in jedem Fall genehmigungspflichtig.
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Wäre kontrolliert worden, so Tarim, wäre aufgefallen, dass viele der beschäftigten Personen überhaupt nicht die Voraussetzungen für eine Tätigkeit als Sicherheitskraft erfüllen. Und bemerkt worden wäre auch, dass die Betroffenen offenbar unterhalb des gesetzlichen Tarifmindestlohns von 9,70 bezahlt wurden.
Ähnliche Betrugsfälle in Köln und Solingen
Sollten sich die Vorwürfe der betroffenen Beschäftigten bewahrheiten, wären sie freilich kein Einzelfall. „In Köln und Solingen haben wir schon Ähnliches aufgedeckt“, so Tarim. Städte würden Leistungen an Unternehmen vergeben, die Mitglied im Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) sind und von denen Tariftreue zu erwarten sei. Diese wiederum würden die Aufträge weiter an andere Firmen geben, die unter dem Tariflohn und sogar unter dem Mindestlohn zahlten.
„Das ist kriminell“, sagt Özay Tarim. Es schade nicht nur den Betroffenen, sondern auch dem Staat, dem Steuern und Sozialleistungen vorenthalten blieben. Nach seinen Informationen habe die Stadt gestern Stichprobenkontrolle in Flüchtlingseinrichtungen durchgeführt. Dort soll im übrigen, so Tarim, weiter Beschäftigte eines Subunternehmers tätig sein. „Die sollen aber sich bei Nachfrage als RSD-Beschäftigte ausgeben“, so der Gewerkschaftssekretär.
Die Ratsfraktion der Linken hat derweil einen umfangreichen Fragekatalog an die Stadt gerichtet. Sie fragt dabei unter anderem nach Verrechnungssätzen und danach, ob die Verwaltung von der Vergabe an Subunternehmer wusste.
Das sagt die Stadt Bochum zu den Vorwürfen
Bei der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales bezog Sozialdezernentin Britta Anger am Donnerstag Stellung: „Wir bedauern sehr, dass wir mit einem Sicherheitsunternehmen zusammenarbeiten, dass unsere Sicherheitsstandards nicht einhält.“ Der Rheinische Sicherheitsdienst sei der Stadt bekannt gewesen, mit ihm sei ein Vertrag seit September vergangenen Jahres vereinbart worden, der verschiedene Standards beinhalte, unter anderem die Zahlung des Mindestlohns. Ausgewählt worden sei er, weil er Erfahrung in der Betreuung von Flüchtlingsunterkünften und eine Mitgliedschaft im „Bund der Sicherheitsdienste“ aufweisen konnte.
Der Einsatz von Subunternehmen war allerdings vertraglich nicht ausgeschlossen worden. Die Stadt habe die Löhne immer gezahlt, was damit geschehen ist, gelte es zu prüfen. Zum 31. August 2016 endete der Vertrag. Zur Zeit prüfe man, welche rechtlichen Ansprüche geltend gemacht werden können.
Viele Fragen im Ausschuss
Unter den Ausschussmitgliedern löste dieses Statement eine Flut von Fragen aus. Widersprüchlich blieb, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang die Stadt von den ausgebliebenen Löhnen erfahren hatte und ob sie in der Folge den Vorwürfen, sobald bekannt, ordentlich nachgegangen wurde. Es seien Beschwerden eingegangen, die man an den RSD weiterleitete und dann nicht weiter nachhakte.
„Wir überprüfen doch nicht die Zulässigkeit eines Unternehmens“, sagte Dirk Hagebölling von der Stabsstelle Flüchtlingsarbeit. Anger: „Die Überprüfung der Qualifizierungsnachweise des Personals wäre Aufgabe der Ordnungsämter Köln und Gummersbach gewesen, da die Firmen dort ihren Sitz haben.“
In Zukunft wolle man den Ausschluss von Subunternhemen fest in den Verträgen verankern.
Subunternehmen sind nicht zulässig
Anfang Oktober 2014 hatte die Bezirksregierung Arnsberg in einem Acht-Punkte-Plan neue Sicherheitsstandards in allen Asylbewerberunterkünften verordnet. Seither gelten „deutlich strengere Standards für den Einsatz von privaten Sicherheitskräften“, so die Behörde. Denn, so der damalige Regierungspräsident Gerd Bollermann: „Aylbewerberunterkünfte sind kein rechtsfreier Raum.“
Zu den Standards gehört, dass ausschließlich Personal des auftragnehmenden Unternehmens beschäftigt werden darf; „der Einsatz von Subunternehmen ist ausgeschlossen“. Tätig sein darf ausschließlich Personal mit vorhandener Sachkundeprüfung, bezahlt wird nach tariflichem Mindestlohn. Zudem müssen alle Unternehmen eine Mitgliedschaft im Bundesverband der Sicherheitswirtschaft oder eines vergleichbaren Verbandes nachweisen.