Bochum. Erneut haben in Bochum Flüchtlinge vor dem Ausländerbüro protestiert. Dabei ging es um die Wohnsitzpflicht. Die schade der Integration, sagen Kritiker.
- Flüchtlinge haben vor dem Ausländerbüro gegen die Wohnsitzbeschränkung protestiert.
- Bis zu 1000 könnten Bochum verlassen müssen; dagegen regt sich Kritik
- Die Städte begrüßen die Regelung. Sie sorge für eine gerechtere Verteilung der Integrationslasten
Mehr als 60 Flüchtlinge haben am Donnerstagmorgen vor dem Ausländerbüro gegen die im neuen Integrationsgesetz verankerte Wohnsitzpflicht demonstriert. Zehn Personen wurden schon von der Verwaltung aufgefordert, in den Ort zu wechseln, der ihnen im Rahmen des Asylverfahrens zugewiesen worden war, etwa nach Rostock. Der WAZ liegt ein solches Schreiben vor, genauso wie ein Exemplar des Briefes, der 82 Flüchtlinge über einen möglicherweise anstehenden Umzug informiert.
Bis zu 1000 in Bochum lebende Flüchtlinge könnten von der Beschränkung des Wohnsitzes betroffen sein, die im Gesetz rückwirkend auf den 1. Januar 2016 festgelegt wurde. Informiert wurden vom Ausländerbüro zuerst die jüngst Zugezogenen. „Die Altfälle werden nach und nach geprüft“, so Flüchtlingskoordinator Michael Townsend.
Ammer Al Sabbagh (43) ist verzweifelt. Der Syrer gehört zu den Flüchtlingen, die bereits eine schriftliche Aufforderung erhalten haben, Bochum zu verlassen. Nach Bad Doberan in Mecklenburg-Vorpommern soll er ziehen. Dort, wo er mit seiner zwölfjährigen Tochter nach der Zuweisung durch die Behörden auch schon für kurze Zeit gelebt hat, wohin er aber auf keinen Fall zurück will. Ablehnung und Aggression hätten sie dort erfahren, erzählt er. Sie seien beschimpft und beleidigt worden. Vor allem seine Tochter sei seitdem verängstigt. „Sie geht nicht mehr alleine aus dem Haus“, berichtet ein Helfer der Gruppe „Treffpunkt Asyl Bochum“.
Gerechte Lastenverteilung
Für sie und für viele andere Kritiker ist die Wohnsitzauflage der völlig falsche Weg zur Integration. Zumal viele der betroffenen Frauen und Männer bereits Sprachkurse besuchen und deren Kinder in die Schule gehen, wie der Syrer Raeed chark Karli (24), Sprecher der Protestgruppe, berichtet. Die Fraktion der Linken im Rat fordert, die Stadt müsse sich schützend vor die Betroffenen stellen.
„Inhuman“ nennt Astrid Platzmann, Bürgermeisterin und Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rat, die neue Regelung. „Mit der Wohnsitzauflage wird das neue Integrationsgesetz zum Integrationshemmnis. Fachleute sind sich seit langem einig, dass Integration leichter gelingt, wenn sich neue Bürger dort niederlassen dürfen, wo sie von Freunden und Familienangehörigen Unterstützung finden.“ Die Medizinische Flüchtlingshilfe fordert derweil, „die diskriminierende Gesetzverschärfungen aufzuheben“.
Michael Townsend kann die Enttäuschung der Flüchtlinge verstehen und verspricht: „Wir werden keine Familien auseinanderreißen.“ Aber die Einführung der Wohnsitzbeschränkung sei eine zentrale Forderung der Städte, um eine gleichmäßige Verteilung der Integrationsaufgaben zu gewährleisten. Über Einzelheiten tauschte sich gestern der Städtetag aus. Daran nahm auch Bochums Sozialdezernentin Britta Anger teil. „Es geht um eine gerechte Lastenverteilung aller Städte“, so Townsend. Unlängst waren Vermutungen laut geworden, dass Flüchtlingen etwa in ostdeutsche Kommunen geradezu aufgefordert worden seien, ins Ruhrgebiet zu gehen.