Voller Stolz zeigt Itris Saleh Hamed seine kleine Wohnung: „Hier ist mein Bett, hier mein Schreibtisch, an dem ich viel Zeit verbringe und hier meine Küche, die oft mit vielen Menschen gefüllt ist. Vor allem mit den Kindern und Enkeln von Herrn und Frau Fischer.“ Der Eritreer strahlt: „Seit einem Jahr lebe ich hier mit meiner Familie. Ich fühle mich wohl und bin sehr dankbar. Wir essen zusammen, feiern zusammen und fahren in den Urlaub. Und sie helfen mir sehr viel mit allem.“

„Ich brauch keinen Mercedes und auch keine Diamanten“, sagt Haeng-Ja Fischer. Lieber möchte sie das, was sie hat – und das sei genug – teilen. Aber nicht komplett bedingungslos: „Die Menschen müssen von Anfang an lernen, dass man auch etwas dafür tun muss, um etwas zu bekommen und man muss auch dafür dankbar sein.“ Von Itris erwarteten sie und ihr Mann, ein Berufsschullehrer im Ruhestand, hart zu arbeiten. Innerhalb eines Jahres Jahres schaffte der 22-Jährige den deutschen Hauptschulabschluss und einen Ausbildungsplatz als Krankenpflegehelfer zu finden. Im Haushalt der Fischers hilft er viel mit, schwingt wahlweise Besen oder Hammer, unterstützt Frau Fischer in der Pflege ihres Mannes, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist.

Haeng-Ja Fischers Erwartungen schöpfen sich aus eigener Erfahrung. Sie weiß, wie es ist, in der Fremde Fuß zu fassen. In den 60er Jahren war die Krankenschwester nach dem Koreakrieg auf der Suche nach einer Zukunft nach Deutschland gekommen. „Ich musste direkt arbeiten“, erinnert sie sich, „ohne Sprachkenntnisse und mit nur 50 Mark Vorschuss in der Tasche.“ An eine Krankenschwestertätigkeit war anfangs ohne Deutsch nicht zu denken. Also nahm die heute 72-Jährige jede Arbeit an. Während sie die Flure und Fliesen im St.-Josef-Hospital Linden (heute Helios-Klinik) schrubbte, hielt sie in der freien Hand ein Wörterbuch. 30 neue Vokabeln am Tag und ein neuer Satz, so ihr ehrgeiziger Vorsatz. Ihr erstes Gehalt ging fast vollständig für ein Tonbandgerät drauf. Als sie nach zwei Jahren ihre beiden Kinder aus Korea nachholen und mit ihnen eine Wohnung beziehen wollte, „gaben uns die Leute keine“. „Ich kann nachempfinden, wie schwer es für die Flüchtlinge ist“, sagt sie. Und ihr Mann Peter fügt hinzu: „Wir sind doch alle irgendwo Flüchtlinge und Reisende.“ Auch er selbst. 1945 hatte er als Flüchtling aus Pommern mit der achtköpfigen Familie zwei Jahre lang ein einziges Zimmer bewohnt. So beschloss das Ehepaar Fischer, als es im April 2015 die Erdgeschosswohnung in seinem Haus bezog, nicht so viel Platz zu benötigen. Es ließ 50 Quadratmeter abtrennen und meldete den Leerstand der Stadt. Zum Glück für Itris, der nach einem Jahr Suche nicht nur Wohnraum fand, sondern eine neue Familie. Und die, wie sie sagt, mit Itris ihren elften Enkel.