Bochum. Im Projekt „Teentalitarismus“ an der Jahrhunderthalle kann man mit der Generation 16+ Kontakt aufnehmen.
„Kinder an die Macht!“, sang schon Herbert Grönemeyer. Während der Ruhrtriennale wird die Forderung wahr: Im „Teentalitarismus“-Projekt übernimmt die Jugend das Kommando und fordert die Erwachsenen auf, sich auf das Weltbild der 16- bis 20-Jährigen einzulassen. Gegenseitige Befruchtung nicht ausgeschlossen.
Das „Teenager-Machtgebiet“ konzentriert sich auf das Kunst-Dorf an der Jahrhunderthalle. Hier wird ein Container zum Domizil der internationalen Jugendgruppe, von hier aus werden die verschiedensten Aktivitäten gestartet. Fast 60 Jugendliche aus dem Ruhrgebiet und aus Kanada wollen für sechs Wochen sichtbar, hörbar und fühlbar sein. Teentalitarismus hat ein eigenes Programm, das man gezielt besuchen kann (siehe Kasten), aber die Teen-Zone ist grundsätzlich offen für Erwachsene, Schulklassen und natürlich auch für andere Jugendliche. Wer traut sich?
„Mit Ohne Alles“
Auf die Beine gestellt wird das Ganze von „Mit Ohne Alles“, dem künstlerischen Nachwuchsproduktionsbüro der Ruhrtriennale. Leiterin ist Cathrin Rose, die Dramaturgin ist schon seit 2003 in der Nachwuchsarbeit des Ruhrgebiets-Festivals engagiert. „Während der Intendanz Heiner Goebbels’ gab es eine Schüler-Jury, die Triennale-Aufführungen besucht hat“, erzählt sie. Das kam so gut an, dass die Kinder und Jugendlichen selbst ein Weitermachen einforderten. So kam die Idee des Jugenddorfs zustande – und zwar als internationale Kooperation.
Bestehende Kontakte zu einem Jugendkulturprojekt in Toronto wurden aktiviert, dessen Leiter Darren O’Donnell mit elf Jugendlichen anrückte. Nun machen Kids aus dem Ruhrpott mit Twens aus Übersee gemeinsame Sache: Ihre Zusammenarbeit ist bezogen auf die Kunst, aber vor allem ein Mikrokosmos, in dem Gesellschaft neu gedacht wird. „Rassistische, religiöse und homophobe Vorurteile werden mit gelebter Realität konfrontiert“, sagt Rose.
Jugend-Einblicke in die Tiefen des Internets
Worum es bei „Teentalitarismus“ geht und was das Projekt zu bieten hat, das kann man heute (18.) bei „What Teens Found on the Web/Was Teenager so im Internet finden“ herausfinden.
Jugendliche verbringen täglich mehr als drei Stunden in den Tiefen des Internets. Sie stoßen dabei auf skurriles, verbotenes, verstörendes und vollkommen unnützes Material. Freiwillig geben sie ihre digitalen Fundstücke den Erwachsenen normalerweise nicht preis.
Aber heute Abend teilen sie ihr Wissen, zeigen ausgewählte Videos und kommen mit dem Publikum sowie einem Medienpsychologen ins Gespräch (20 Uhr / Refektorium an der Jahrhunderthalle/ ab 16 Jahren / 5 Euro).
„Vor dem Gesetz und vor der Jahrhunderthalle sind alle Menschen gleich“, lautet das Motto. „Gesetz“ bedeutet in diesem Fall, dass das Jugendcamp sich seine eigenen Regeln aufstellt, an die sich aber auch die Erwachsenen, die hierher kommen, halten müssen. „Sprich mit einem Teenager, wie Du mit einem Erwachsenen reden würdest“, heißt es in einem der sieben Paragraphen. Wer sich nicht dran hält, hat mit „Strafen“ zu rechnen: Beschuss durch Wasserpistolen beispielsweise oder das Aufessen einer Zitrone (brrr!). Wer auch immer ins Jugenddorf am Kunst-Container ‘rein will, muss ein „Visum“ beantragen. „Das klingt spielerisch, trifft aber unmittelbar die Lebenswirklichkeit vieler Jugendlicher, die aus vielen Ländern ins Ruhrgebiet gekommen sind“, sagt Cathrin Rose.
Bei „Teentalitarismus“ gilt für alle die gleiche Offenheit: Manche drücken sich über Snapchat aus, andere schreiben Bücher oder schmeißen Partys. „Die Struktur ist Freiheit, ist Demokratie, ist auch mal Frustration“, sagt Rose. Also ganz wie im wirklichen Leben.