Bochum. Seit Januar haben im Bochumer Polizeibezirk bereits 1719 Bürger einen Kleinen Waffenschein beantragt. Im Jahr davor waren es nur 220.
- Die Zahl der Anträge für einen Kleinen Waffenschein sind enorm gestiegen
- Als Motiv für den Boom sieht ein Waffenhändler „die Angst der Leute“
- Antragsteller müssen nicht begründen, warum sie einen Kleinen Waffeschein haben wollen
„Jeden Tag kommen neue rein.“ Damit meint Polizeisprecher Marco Bischoff die Anträge für einen „Kleinen Waffenschein“, der grundsätzlich das öffentliche Mitführen einer Gas- oder Schreckschusswaffe erlaubt. Die Anzahl der Anträge ist geradezu explodiert. Zwischen Januar und Juli 2016 haben im Bochumer Polizeibezirk (mit Herne und Witten) 1719 Menschen so einen Waffenschein beantragt. Im ganzen Jahr 2014 indes gab es 151 Genehmigungen, im vergangenen Jahr 220.
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Wieviele der bisher 1719 Anträge im laufenden Jahr auch genehmigt wurden, kann die Polizei nicht sagen, weil die Zahlen erst zum Jahresende ermittelt werden. Allerdings: Der Großteil wird positiv beschieden. Denn die Hürden sind sehr niedrig: Man darf nicht erheblich vorbestraft sein und nicht drogensüchtig. Die Polizei besucht die Antragsteller zwar auch zu Hause, um zu prüfen, ob sie „geeignet“ wirken. Zu begründen brauchen sie ihren Antrag allerdings nicht.
Der Wattenscheider Waffenhändler Wolfgang Stabe kann die enorm gewachsene Nachfrage nur teilweise bedienen; die Hersteller kommen mit der Produktion nicht nach. „Wir können den Markt nicht befriedigen“, sagte er auf Anfrage. „Der Handel hat noch nie so einen Boom gehabt.“ Jeden Tag müsse er einige Kunden wieder wegschicken, weil die gewünschte Ware nicht mehr lieferbar sei. Seine Kunden kämen aus allen Kreisen. „Es ist unglaublich.“ Sie seien fast alle älter als 30 Jahre, meist sogar mehr als 40 oder 50 Jahre alt. Oft käme ein Ehepaar auch gemeinsam in sein Geschäft.
Das Sicherheitsgefühl
Ursache dieses Booms, da ist sich Stabe sicher, sei „die Angst der Leute“ vor der Zunahme an Flüchtlingen. „Ich habe das Gefühl, dass sich ältere Leute betrogen fühlen von der Politik, von dem System. „Sie haben nicht mehr das Gefühl von Sicherheit.“ Es gebe für sie einfach zu wenig Polizeipräsenz.
Nachgefragt würden vor allem Pfefferspray, Schrillalarme und das kleine Schlagwerkzeug Kubotan, so Stabe. Viele würden – zusätzlich – eine Gas- oder Schreckschusswaffe dazukaufen. Nachgefragt seien auch die Modelle der Polizei. Diese gebe es auch für Gas- und Schreckschussmunition. Es würden die Originalpreise bezahlt. 110 bis 200 Euro koste so eine Pistole.
Die Polizei hatte mehrere Anträge für einen kleinen Waffenschein erhalten, weil sich die Bürger Reizgas-Sprühgeräte zulegen wollten. Dazu sei aber kein Waffenschein erforderlich, betont sie. Trotzdem sieht sie den Einsatz von Waffen generell kritisch: „Wir beobachten das mit Besorgnis, wenn sich die Bürger mit echt aussehenden Schusswaffen aufrüsten.“ Das könne Situationen eskalieren lassen. Waffen könnten auch falsch benutzt oder gar gegen sich selbst gerichtet werden.
Waffe dient meist nur zur Beruhigung - Ein Kommentar von Bernd Kiesewetter
Dass sich so viele Menschen in so kurzer Zeit Waffen zulegen, in allen gesellschaftlichen Kreisen, hat nichts mit einer plötzlich ausgebrochenen Gewaltbereitschaft zu tun. Es ist in den meisten Fällen nur der Versuch, sich ein bisschen mehr Sicherheit einzubilden und sich etwas zu beruhigen. Die Gaspistole – eine Art Psycho-Hilfe.
Denn auch eine Waffe in Tasche ist keine Garantie, sich bei Angriffen unterwegs wehren zu können. Wenn es gut geht, läuft der Täter weg, sobald er eine Ladung Reizgas mitbekommt oder eine Waffe sieht. Wenn nicht, wird er erst so richtig böse. Schließlich ist auch er in einer Stresssituation. Und die ist unberechenbar.