Bochum. Gastspiele sind für das Schauspielhaus zu einem wichtigen Wirtschaftszweig geworden – auch wenn mancher Schauspieler dabei ins Schwitzen gerät.

  • 17 Gastspiele gibt das Theater pro Jahr, das sind etwa 35 Vorstellungen
  • Dienstreisen gehen nach Südtirol, Danzig, Serbien, Rumänien oder die Schweiz
  • Da wird so mancher Schauspieler zum Vielflieger

Neulich auf dem Weg nach Siegen: Am dortigen Apollo-Theater stand abends ein Stück des Schauspielhauses auf dem Programm – und der hier nicht namentlich erwähnte Schauspieler dachte sich, die 100 Kilometer bis dorthin locker mit dem eigenen Pkw zu schaffen.

„Was er nicht bedacht hatte, das war die Vollsperrung auf der A 45“, amüsiert sich Betriebsdirektor Stephan Wasenauer über den Vorfall prächtig. Während der Schauspieler fett im Stau stand, tickte die Uhr. „Das kostet Nerven ohne Ende, wenn man weiß, dass gleich die Vorstellung los geht.“ Und was hat der Schauspieler in seiner Verzweiflung getan? „Er ist umgekehrt und ist von hier aus über Schleichwege mit dem Taxi gefahren.“ Und siehe da: Der Abend war gerettet!

Der florierende Gastspielbetrieb hat sich in den letzten Jahren für das Schauspielhaus zu einem immer wichtigeren Wirtschaftszweig entwickelt. 17 Gastspiele gibt das Theater pro Jahr, das sind etwa 35 Vorstellungen in teils weit entfernten Städten. Dienstreisen gehen nach Südtirol, Danzig, Posen, Novi Sad (Serbien), Cluj (Rumänien) und Winterthur (Schweiz). Da liegen andere Bühnen in Duisburg, Siegen und Gütersloh fast um die Ecke.

Aufwand ist gewaltig

Die Einnahmen daraus können sich sehen lassen: „Abzüglich aller Kosten bleiben dem Theater durch die Gastspiele über 200.000 Euro im Jahr“, sagt Wasenauer. „Dafür müssten wir in Bochum eineinhalb Monate lang jeden Abend spielen.“

Allein: Der Aufwand ist gewaltig. Um „Bochum“, „Bunbury“, „Norway today“ oder „Hedda Gabler“ auf fernen Bühnen aufzuführen, gibt es meist eine Vorabbesichtigung des technischen Teams. Dann wird das komplette Bühnenbild inklusive Kostüme und Technik in den Theater-Lkw geladen – und auf die Straße geschickt.

Oft ist Improvisationsgeist gefragt

Neben den Schauspielern reist auch die Crew mit: Beleuchter, Maskenbildner, Inspizient und sogar die Souffleuse sind mit an Bord. „Das machen wir je nach Aufwand meist mit dem Flieger oder mit dem Zug“, sagt Wasenauer, der die Gastspiele koordiniert.

Der Theater-Laster ist angekommen: Bei einem Gastspiel in Liechtenstein macht der Truck Station – imposantes Bergpanorama inklusive.
Der Theater-Laster ist angekommen: Bei einem Gastspiel in Liechtenstein macht der Truck Station – imposantes Bergpanorama inklusive. © Christina Lutz

Weil die Bedingungen vor Ort nicht immer optimal sind und auch die Maße der Bühnen variieren, ist oft Improvisationsgeist gefragt. Als beste Anschaffung der letzten Jahre habe sich eine Reise-Waschmaschine erwiesen: „Das Ding ist unschätzbar wichtig geworden, weil längst nicht jedes Theater eine eigene Maschine hat.“

Bei den Schauspielern sind die vielen Reisen mehr oder weniger beliebt. Klar sieht man einiges von der Welt: „Aber das kann mitten im Probenbetrieb auch stressen“, sagt Wasenauer. Schauspieler Reiko Küster hat kurz vor der „Mephisto“-Premiere das Kunststück vollbracht, morgens zu proben, nachmittags zu fliegen, abends in Liechtenstein zu spielen, am anderen Morgen zurück zu fliegen und mittags in Bochum auf der Probebühne zu stehen. „Das geht! Aber das schafft man nicht jede Woche.“

Dietmar Bär will jeder sehen

Auf eine Bochumer Produktion sind alle Theater scharf: auf den „Zerbrochnen Krug“ mit Dietmar Bär. „Da bekomme ich haufenweise Anfragen, von denen ich schon viele absagen musste“, sagt Wasenauer. Ob Landes- oder Freilichtbühnen: „Mit dem ‘Krug’ könnten wir uns richtig die Taschen voll stopfen.“ Doch Dietmar Bärs Zeit sei natürlich begrenzt. „Und manche Stücke sollte man auch exklusiv in Bochum zeigen.“

Duisburg und Gütersloh haben das Glück, den „Krug“ in der kommenden Spielzeit zeigen zu können. Auch „Wunschkinder“ wird auf Reisen gehen. Dann macht sich der Theater-Laster wieder auf den Weg – und mancher Schauspieler hetzt hinterher...