Bochum. Als Putzfrau Walli zeigt sie Herz & Schnauze. Abseits der Bühne ist Esther Münch ehrenamtlich tätig: als Patin für drei junge Flüchtlinge aus Afghanistan.
Sie nennen sie „Mama“. Esther Münch versteht’s als Vertrauens-, ja Liebesbeweis. „Ich bin noch mal Mutter geworden“, lacht die 57-Jährige, als patente Putze Waltraud Ehlert die populärste Kabarettistin Bochums. Dass sich „Walli“ abseits der Bühne seit Jahren ehrenamtlich engagiert, ist weniger bekannt. Aktuell sind es drei junge Flüchtlinge aus Afghanistan, denen „Mama“ Esther als couragierte Patin zur Seite steht.
Im Herbst 2015 kamen Shabir Yousofy, Maseeh Ullah und Reza Safari nach Deutschland. Verzweiflung und Angst spiegeln ihre Augen wider, wenn die 16- und 17-Jährigen von den Gräueln des Bürgerkrieges in ihrer geschundenen Heimat erzählen. „Mutter, Vater und Bruder: alle tot, alle hingerichtet“, sagt Shabir, der aus Masar-el-Scharif stammt. Wie Maseeh und Reza machte sich der Schüler vor gut einem Jahr allein auf den Weg nach Europa. Mehrere Monate dauerte die Flucht. In der Erstaufnahmestelle des Landes in Unna lernten sich die drei Landsleute im September kennen. Ein Monat später führte sie der Weg nach Bochum.
Trio lebt in eigener Wohnung
In der Turnhalle Frauenlobstraße wurde ihnen ein Quartier zugewiesen. Alsbald besuchten sie regelmäßig das Gerther Jugendzentrum U27 – und hatten das Glück, Esther Münch zu begegnen, die hier als Sozialarbeiterin beschäftigt ist (eine Aufgabe, die ihr trotz des Bühnenerfolges enorm wichtig ist). Der Herzmensch erkannte: „Diese mutigen Jungs brauchen Unterstützung.“ Esther Münch wurde zur „Mama“. Zusätzlich zu den Sprachkursen im U27 büffelt sie mit ihren Schützlingen daheim in Dahlhausen Deutsch und Mathe (wobei sie das Rechnen ihrem Mann Michael Grosler überlässt). „Wir essen zusammen, wir lesen zusammen. Wann immer es die Zeit zulässt, will ich für die drei da sein.“
Die Betreuung zeigt Erfolge. Dank des Einsatzes von Esther Münch und weiterer Helfer konnten die drei Jugendlichen eine 65-qm-Wohnung der VBW an der Lothringer Straße beziehen. „Die Jungs sind großartige Mieter. Kochen, waschen, putzen: Sie kümmern sich um alles allein. Da ist es blitzsauber“, lobt die Patin, die die Küche samt Backofen selbst besorgt hat. Auch schulisch geht’s bergauf. Binnen weniger Monate haben die Flüchtlinge, die die Angleichungs- bzw. internationalen Klassen an der Technischen Hochschule Georg Agricola, am Heinrich-von-Kleist-Gymnasium und an der Anne-Frank-Realschule besuchen, hervorragend Deutsch gelernt. Die Berufsziele sind klar definiert: Maseeh möchte Ingenieur werden. Shabir will IT studieren. Reza strebt eine handwerkliche Ausbildung als Stuckateur an.
"Wir gucken nach vorn"
Teure Freizeitaktivitäten sind mit 332 Euro im Monat, von denen weit mehr als nur das Essen gekauft werden muss, zwar nicht drin. Aber: „Wir lieben Bochum. So viele nette Menschen“, strahlt das Trio, das enge Kontakte zu den Pfadfindern in Gerthe pflegt. Schlagartig ändert sich das Mienenspiel, wenn es um das Anerkennungsverfahren geht. Noch immer warten die drei auf einen Anhörungstermin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Was ein – durchaus mögliches – Scheitern ihres Asylantrages, eine Zwangsrückkehr nach Afghanistan bedeuten würde? Beredtes Schweigen. Nur Shabir findet ein Wort: „Katastrophe.“
An die mag Esther Münch „nicht denken. Wir gucken nach vorn“. Nach dem WAZ-Gespräch begleitete sie ihre Jungs in einen Elektromarkt. „Wir müssen einen Mixer kaufen.“ Ihre Patenkinder wollen für Mama einen Kuchen backen.