Bochum. 500 Vorschläge für neue Straßennamen stehen auf einer Anwärterliste im Amt für Geoinformation. Frauen sind bei der Benennung unterrepräsentiert.
Die Kultur steht momentan in Bochum besonders hoch im Kurs – jedenfalls wenn es nach der Benennung von Straßen geht: Gerard-Mortier-Platz, Peter-Zadek-Straße, Grete-Penelope-Mars-Platz, Otto-Sander-Platz. Vier der fünf jüngsten Namensgebungen fallen auf reale Kulturschaffende oder gehen in einem Fall auf ein Kunstprojekt zurück. Dazwischen lag nur die schnörkellose Titulierung eines Autobahnabschnitts. Aber es geht auch anders: Funktionen, historische Hintergründe oder eine besondere geografische Lage spielen eine Rolle bei der Vergabe eines Straßennamens. Auch dafür gibt es aktuelle Beispiele: Gesundheitscampus, Am Eickhoffpark, Am Alten Sägewerk. Es gibt viele Möglichkeiten.
Aber wie kommt eine Straße oder ein Platz zu einem neuen Namen? Dafür gibt es zunächst einen banal klingenden Grund. „Einen Straßennamen braucht man, wenn man eine postalische Zuordnung benötigt“, erklärt Peter Koschorreck vom Amt für Geoinformation. Bei ihm laufen die Fäden zusammen, wenn es darum geht, eine neue Straße erstmals mit einem Namen zu versehen oder eine bestehende Straße umzubenennen, was in Koschorrecks bislang zehnjähriger Amtszeit erst einmal vorgekommen ist, als die August-Stöcker-Straße in Anne-Frank-Straße umbenannt wurde.
Partnerstädte berücksichtigen
Etwa 500 Vorschläge stehen auf einer Liste, die in Koschorrecks Abteilung geführt wird: der Journalist Peter Scholl-Latour steht drauf, Schauspieler Gert Voss oder Kunstkritikerin Christel Darmstadt. Zur Liste gehört auch die Idee des Abteilungsleiters, eine Straße oder einen Platz der deutschen Einheit zu schaffen. Noch hat sich dafür kein geeignetes Objekt gefunden.
Aber in nächster Zeit gibt es einige markante Orte, an den Straßen entstehen: der Ostpark etwa oder das Gewerbegebiet Mark 51-7 mit seiner breiten Querachse zwischen Opelring und Wittener Straße. Auch der Opelring selber könnte zur Diskussion werden, da Opel zumindest in Laer nicht mehr vertreten ist. Gedanken machen wird sich die Verwaltung über einige repräsentative Stellen in der Innenstadt: am neuen Justizzentrum, vor dem Musikforum oder im künftigen Einkaufscenter an der Viktoriastraße.
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Außerdem dürfen die Partnerstädte nicht verprellt werden. Durch den Bau der Opel-Querspange entfallen Donezk- und Oviedo-Ring, „da Autobahnen nur mit Zahlen benannt werden“, wie Peter Koschorreck erklärt. Für beide müsste adäquater Ersatz gefunden werden – am besten breite, lange Straßen, die der bisherigen verkehrstechnischen Bedeutung ähneln und die auch noch für den Nordhausen- und den Sheffield-Ring gelten. Denn: „Eine Namensgebung soll tatsächlich eine Ehrung darstellen“, erklärt Peter Koschorreck. Für Personen ebenso wie für Städte, historische Ereignisse oder anderes.
Die erste Voraussetzung, wenn es um Personen geht: Der oder die Betreffende muss bereits verstorben sein. Ansonsten ist so gut wie alles möglich. „Jeder kann Vorschläge einreichen“, so Koschorreck. Die Entscheidung über die Namensnennung fälle am Ende die Politik; in der Regel die zuständige Bezirksvertretung oder aber wie bei der jüngsten Benennung, dem Gerard-Mortier-Platz, der Haupt- und Finanzausschuss, „weil der Westpark, in dem der Platz liegt, übergeordnete Bedeutung hat“.
„Frauenquote“ vorgeschlagen
Und wer weiß: Vielleicht ist bei einer der nächsten Namensvergaben auch die eine oder andere Frau dabei. Denn die sind bislang eindeutig zu kurz gekommen. Von den etwa 500 Straßen in Bochum, die nach Personen benannt sind, tragen bislang lediglich etwa zehn Prozent die Namen von Frauen. Ein Ungleichgewicht, dass den Frauenbeirat im vergangenen Jahr zu der Anregung veranlasst hat, „bei der Umbenennungen von Straßen und beim Bau neuer Straßen sollen so lange Frauennamen berücksichtigt werden, bis 50 Prozent erreicht sind“; um „ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Bochum nicht nur berühmte Söhne, sondern auch große Töchter hervorgebracht hat“.
Umbenennungen nach Gebietsreform
Momentan gibt es 1929 benannte Straßen und Plätze in Bochum. Kein Name taucht dabei doppelt auf. Vor allem um das zu verhindern, mussten im Zuge der Eingemeindung von Wattenscheid zwischen 1970 und 1979 insgesamt 195 Straßen und Plätze in der Stadt neu benannt werden. Das entscheidende Kriterium damals: Die Straße mit der größeren Einwohnerzahl behält über derjenigen mit der geringeren Zahl ihren Namen bei.
Zu noch größeren Veränderungen war es zwischen den Jahren 1920 und 1929 gekommen, als zwei Gebietsreformen für insgesamt 616 Namensumbenennungen gesorgt hatten. Neue Namen gefunden wurden nach dem Zweiten Weltkrieg außerdem für insgesamt 283 Straßen und Plätze.
Seit 2009 wurden in Bochum insgesamt 29 Straßen und Plätze neu benannt. Jüngst dazu gekommen ist der Gerard-Mortier-Platz auf dem Stahlwerksplateau in Stahlhausen. Im vergangenen Jahr hat es insgesamt fünf neue Namen für Straßen und Plätze gegeben.