Bochum. . Seit fünf Monaten ist der Iraner in Deutschland. Das erste, was er gesucht hat, war eine vernünftige Turnhalle. In Bochum ist er fündig und glücklich geworden.
Aus seiner Heimat musste er als politisch und religiös Verfolgter in einer Nacht- und Nebelaktion fliehen, sich kilometerlang durch Wälder und Bäche quälen – insgesamt 15 Tage – bevor er sich auf die ungewisse Fahrt von der Türkei nach Griechenland aufmachte. In einem Schlauchboot mit 150 Menschen. „Ich habe den Tod vor Augen gesehen“, erzählt der Iraner Morteza Jorfi. Jetzt hat er sein Glück im Turnzentrum an der Harpener Heide gefunden – und irgendwie auch ein Stückchen Heimat. „Die Menschen hier in der Halle sind wie meine Familie. Ich bin einfach nur glücklich“, sagt der 27-Jährige.
Seit fünf Monaten ist Jorfi in Deutschland, seit drei in Bochum. Eine Sporthalle war das erste, was er gesucht hat. Denn Turnen, das ist sein Leben. „Dieser Sport wurde mir in die Wiege gelegt, ich turne seitdem ich denken kann. Es war mir wichtig, hier sofort eine Verbindung zu bekommen“, sagt Jorfi, der von seinem Vater trainiert wurde und mit sechs Jahren sein erstes Turnier gewann.
Wunsch nach eigener Wohnung
Zu seiner Familie hat er über das Internet regelmäßig Kontakt. Seine 40 Medaillen hat er sich nach Deutschland nachschicken lassen. So viel Platz muss sein, wenn das Herz am Turnen hängt. Jorfi ist im Turnzentrum schon voll eingebunden, als Trainer, Kampfrichter und ab September auch als Turner im Oberliga-Team. Zurzeit lebt er noch in einer Turnhalle eines Gymnasiums in Dortmund, in eine eigene Wohnung will er unbedingt umziehen. Aber er wartet noch auf die Papiere. Und mit den Papieren ist das so eine Sache. In seiner Heimat Iran hat Jorfi einen Uni-Abschluss als Elektro-Techniker. Den anzuerkennen ist ebenso schwierig.
Dass Jorfi im Turnzentrum arbeiten darf, verdankt er den Verantwortlichen an der Harpener Heide. „Dafür werde ich ihnen immer dankbar sein, vorher ging meine Zeit für nichts weg und ich war ständig in Sorge. Jetzt wird es Tag für Tag besser. Ich hätte nie damit gerechnet, dass mir so geholfen wird“, sagt Jordi, der von seiner neuen Heimat und vor allem von den Menschen rundum begeistert ist. An Bochum schätzt er sogar das Wetter. Im Süden von Iran ist es nämlich teilweise unerträglich heiß: „Hier ist es immer schön kalt.“
Zukunft im Ruhrgebiet geplant
Seine Zukunft plant Jordi nicht nur wegen der kalten Brise weiter im Ruhrgebiet. Sein Wissen als Kampfrichter und Trainer will er im Turnzentrum verbessern: „Ich will auch etwas zurückgeben, die Menschen hier haben mir so viel gegeben. Sie werden es nicht bereuen, mich aufgenommen zu haben.“ Außerdem will er schulisch im Integrationskurs vorankommen. „Die Sprache ist das Wichtigste“, sagt Jorfi, der das komplette Interview übrigens in Deutsch führen will: „Ich muss viel üben.“ Wenn es dann doch mal zu schwierig wird, hilft eine mit dem Turnzentrum befreundete Übersetzerin.
Denn es ist nicht das erste Mal, dass das Turnzentrum einem Flüchtling auf die Beine hilft. Kinder von Flüchtlingsfamilien waren ohnehin schon oft mit auf der Turnmatte, seit vergangenem Jahr trainiert außerdem Mohammad Eid Krouma aus Syrien mit, dessen Asylbewilligung kurz bevor steht. Er ist mit im letzten Zweitligawettkampf gestartet und hat auch an zwei Geräten geturnt. „Er passt sehr gut ins Team“, sagt der Liga-Koordinator des TZ, Peter Dekowski. Trainiert wird er aktuell vom ehemaligen georgischen Nationalturner Shalva Dalakishvili, der bis zu sechs Mal mit Mohammad in der Halle steht.
Das alles geschieht auch dank der Hilfe des Turnzentrums. „Die Flüchtlinge sind unheimlich dankbar und wir wollen hier jedem die Möglichkeit geben, seiner Leidenschaft nachzugehen. Für uns ist es ein Riesenglück, wir profitieren von Mohammads und Mortezas Qualitäten, menschlich wie fachlich“, sagt der erste Vorsitzende des Turnzentrums, Dietrich Spiegel.