Bochum. . Digitaler und stationärer Handel führen vor allem zur Zunahme des Lieferverkehrs. „Darauf muss die Infrastruktur ausgerichtet sein“, so die IHK

Es geht um nicht weniger als um die zweite Revolution im Handel nach Einführung der Selbstbedienung. „E-Commerce wird zu einer großen Umwälzung im Handel führen“, sagt Handels-Experte Stefan Postert von der IHK Mittleres Ruhrgebiet. Und die Städte müssten sich dafür wappnen.

„Bochum muss sich darauf einstellen, dass der Verkehr weiter wachsen wird“, sagt Kerstin Groß, Verkehrsexpertin bei der IHK, voraus. Das jedenfalls ist das Ergebnis einer Studie, die das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund im Auftrag der IHK erstellt hat. Es geht dabei um die Auswirkungen des elektronischen Handels auf die Verkehrsströme innerstädtischer Einzelhandelsstandorte – und dies am Beispiel Bochums.

City bleibt für Kunden attraktiv

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Zwei mögliche Szenarien sagt Christiane Auffermann vom Fraunhofer-Institut voraus: wachsender Online-Handel bei gleichzeitigem Rückgang des Handels vor Ort oder eine „hybride Entwicklung“, wie es in der Studie heißt, in der digitaler und stationärer Handel sich ergänzen. „Für uns und viele andere Studien ist das zweite Szenario realistischer“, so Auffermann. Eine Umfrage in der Innenstadt habe ergeben, das drei von vier Befragten auch in Zukunft trotz der Einkaufsmöglichkeiten im Internet die City besuchen werden. Die Mehrheit von ihnen komme mit dem Auto. Und: Drei von vier Händlern erhalten heute schon ihre Waren von einem Paket-Dienstleister. Die Lieferfrequenz wird sich, so die Prognose, noch erhöhen. Für Bochum würde diese Entwicklung eine Zunahme von 24 000 Fahrzeugen pro Tag auf der Straße bedeuten, das Plus bei den Pkw betrüge 15 Prozent, das beim Lkw-Verkehr gar 31 Prozent.

„Darauf muss die Infrastruktur ausgerichtet sein“, so IHK-Expertin Kerstin Groß. Bei den Planungen von Infrastruktur müsse diese Entwicklung berücksichtigt werden. Die Kammer wünscht sich daher, dass die Stadt die Stelle eines Logistikbeauftragten besetzt. Von der Politik würde sie sich wünschen, mutiger zu werden bei der Zulassung von Rahmenbedingungen. Die Unternehmen selbst könnten sich stärker engagieren, wenn es darum geht, bereits bestehende Konzepte umzusetzen.

Mehrere Lieferungen täglich

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Immerhin, so die Handels- und Verkehrsexperten, bringe die Wirtschaft das Thema auf die Tagesordnung. Derzeit nutzen von den befragten Händlern zwar nur 20 Prozent E-Commerce-Konzepte wie Multichannel, das heißt die Kombination verschiedener Vertriebskanäle. „Das wird sich in den nächsten Jahren grundlegend ändern“, so die IHK. Erwartet wird daher auch, dass Händler mehrfach am Tag beliefert werden; vor allem von Kurier-Express-Paket-Dienstleistern. Zumal der Trend dahin gehe, Lagerflächen zu verringern.

„Wenn der klassische stationäre Handel seine Bedeutung behalten will, wird er zweigleisig fahren müssen“, so Stefan Postert. „Und dies bedeutet, die Chance zu sehen, die ihm das Internet bietet. Stationärer Handel und E-Commerce werden sich ergänzen.“ Es komme nun darauf an, Impulse zu setzen und gemeinsam mit Händlern Modelle zu entwickeln. Beim Thema Anlieferung könne etwa die Nutzung der Parkhäuser über Nacht eine Rolle spielen.

Verkehrszählung, Umfrage und Befragung 

Ausgangspunkt der Studie ist eine Verkehrserhebung der Stadt aus dem vergangenen Jahr. Demnach fahren täglich 144 750 Pkw auf Bochums Straßen. Hochgerechnet haben die Autoren die Zahl der täglichen Lkw-Fahrten, in der letzten Erhebung 2008 waren es 5750 täglich, derzeit sind es knapp 7200.

Die Nutzung des digitalen Handels haben die Autoren zum einen durch eine schriftliche Umfrage unter den 300 Händlern in der Innenstadt abgefragt. Die Rücklaufquote betrug gut zehn Prozent, 33 Händler nahmen teil. „Das ist für eine Befragung dieser Art ein guter Wert“, so Christine Auffermann vom Fraunhofer-Institut. Erkenntnisse wurden zudem gezogen aus einer Befragung unter 313 Passanten im vergangenen August an verschiedenen Stellen in der Innenstadt.