Bochum,. In Konstanze Kappensteins Shakespeare-Aneignung im Theater Rottstraße. Publikum zeigt sich begeistert.

Konstanze Kappensteins Deutung von Shakespeares „Othello“ feierte im ausverkauften Theater an der Rottstraße eine beglückende Premiere. Wenn auch Shakespeare-Enthusiasten stellenweise geglaubt haben müssen, ein anderes Stück zu sehen. Denn in Kappensteins Inszenierung ist Othello weder Feldherr noch von schwarzer Hautfarbe. Der „Mohr von Venedig“, so der Untertitel der auf 1603/04 datierten Tragödie, ist Anführer einer Bande, die Tätigkeiten nachgeht, die nicht näher beleuchtet werden.

Treuherzige Seele

Beleuchtet werden sie nicht näher, weil das völlig egal ist. Ebenso wie Othellos Hautfarbe. Die junge Regisseurin reduziert den Stoff aufs Wesentliche: Neid, Habgier, Eifersucht, Liebe, Misstrauen – also jene menschlichen Eigenschaften, die das Leben so spannend und abwechslungsreich machen.

Othello ist mit Desdemona verheiratet. Sein bester Freund Jago ist aber auch scharf auf die Braut und dichtet ihr ein Verhältnis mit Cassio an. Zunächst glaubt Othello Jago nicht, doch der Wurm des Zweifels hat sich schon in seine treuherzige Seele gebohrt. Zum Schluss sind alle tot, nur der hinterlistige Jago triumphiert. Wie hatte er schon vorher erklärt: „Lieber klug als ehrlich.“

Schauspieler sind klatschnass

Ein Bühnen-greifendes Planschbecken symbolisiert wohl die Kanäle Venedigs; alle vier Schauspieler sind 80 Minuten lang nass. Cassio taucht gar nicht auf, dafür agiert ein Namenloser als Symbol der Eifersucht. Kappenstein hat den Text zum Teil völlig neu geschrieben. „Verdammte Hacke“ lässt sie Desdemona sagen, als sie Othello bittet, Cassio zu verzeihen. An anderer Stelle verweist sie auf die Tatsache, dass mehr Menschen durch herabfallende Kokosnüsse sterben als durch Haiattacken.

Still dräut die Zwietracht

Es ist ein guter Text. Zudem verfügt die Regisseurin über gute Schauspieler. Aischa-Lina Löbbert als Desdemona zwischen laszivem Luder und ehelicher Kuscheldecke, der gewohnt starke Felix Lampert in der Rolle des Othello zwischen Virilität und Naivität. Tim-Fabian Hoffmann als still dräuende Zwietracht. „Star“ des Abends ist aber Dirk Hermann als heimtückischer Jago; seine bedrohliche Präsenz erinnert an den Filmschauspieler André Hennicke. Alle waren zudem extrem textsicher.

Begeistertes Publikum, acht Vorhänge.