Bochum. . Viele Frauen und Männer in Bochum entscheiden sich weiterhin für ein Leben mit Trauschein – und heiraten ganz traditionell

Sie haben es getan. Bernd Schneider (58) und Monika Tüller (48) haben „Ja“ gesagt. „24 Jahre waren wir ohne Trauschein verheiratet“, sagt Schneider. „Kurz Weihnachten haben wir uns dann doch für die Ehe entschieden.“ Warum? „Aus Liebe.“

Insgesamt haben 1326 Paare im vergangenen Jahr im Bochumer Standesamt geheiratet. Das sind 72 weniger als im Vorjahr und 84 weniger als 2012 – tendenziell nimmt die Zahl der Ja-Sager in Bochum also ab. Ein Trend, der sich in der gesamten Bundesrepublik abzeichnet. Trotzdem gibt es immer noch viele Paare, die sich wie Monika Tüller und Bernd Schneider für ein Leben mit Trauschein entscheiden.

Viele träumen immer noch vom „Schönsten Tag im Leben“

Christa Skotarek kennt sich aus im Hochzeitsgeschäft. Seit mehr als 17 Jahren arbeitet die 63-Jährige im Brautmodenladen Schodrock in der Kortumstraße.

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„Es wird immer noch viel geheiratet“, meint Skotarek. „Aber die Kundinnen sind älter geworden.“ Früher seien die meisten zwischen 20 und 25 Jahren alt gewesen, heute liege der Schnitt bei 33 Jahren. „Heute ist es auch normal, im Alter von 40 Jahren das erste Mal zu heiraten – oder das zweite Mal“, lacht die gelernte Kosmetikerin, die selbst in zweiter Ehe lebt. Dass die Bräute immer älter werden erklärt Skotarek mit den längeren Ausbildunsgzeiten und der gestiegenen Unabhängigkeit von Frauen.

Größere Unabhängigkeit und traditionelle Heirat – passt das zusammen? „Selbst moderne, taffe, junge Frauen träumen immer noch vom Heiratstag als den schönsten Tag im Leben“, erklärt Skotarek. Bei manchen ihrer Kundinnen ginge der „Anspruch des besonderen Tages“ so weit, dass das farbige Band am Brautkleid zu den Einladungskarten passen müsse und zur Krawatte des Bräutigams. „Die jungen Frauen haben heute hohe Erwartungen“, sagt die Brautmodenverkäuferin. „Ich sage immer: Selbst wenn was schief geht: Nur Sie wissen, wie der Plan ist.“

Ob wir wollen oder nicht – das hängt von unseren Erfahrungen ab

Heiraten oder nicht? Anders als Bernd Schneider und Monika Tüller sind sich manche Paare darin nicht einig: Der eine findet sein Glück nur mit Trauschein, der andere lebt lieber in wilder Ehe.

Der Glaube an Gott und die ewige Liebe oder die Aussicht auf rechtliche Vorteile – hinter einem unbedingten Heiratswunsch kann auch etwas anderes stecken, sagt die Bochumer Paartherapeutin Bettina Schimanski. „Ein Motiv ist Ängstlichkeit.“ Die könne mit den Erfahrungen zu tun haben, die wir als Kind gemacht haben. Denn: „Alle Erfahrungen, die wir in frühen Beziehungen sammeln – etwa in der Beziehung zu unseren Eltern – nehmen wir in die Paarbeziehung mit.“ Das gelte auch für Heiratsmuffel. „Wer sich mit dem Heiraten schwer tut, für den ist die Verbindlichkeit, die durch die Heirat entsteht, unter Umständen mit Belastung verbunden.“ Je mehr Selbstvertrauen, Sicherheit und Unterstützung wir durch unsere Eltern erfahren hätten, desto mehr könnten wir stabile Paarbeziehungen führen.

Hochzeitsmesse in Bochum

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Dass Ehen und andere Formen der Partnerschaft heute scheinbar eher und öfter scheitern als früher, liegt für Schimanski an einem Trend der Postmoderne: „Die Beziehung muss heute alles einlösen. Unser Partner soll im Haushalt helfen, romantisch sein, sich um die Kinder kümmern.“ Viele Rollen, viele Erwartungen. „Die können fast nur enttäuscht werden.“ Wichtig sei, den Partner nicht als selbstverständlich hinzunehmen. „Wir haben keinen Anspruch unseren Partner. Die Beziehung basiert auf Freiwilligkeit.“ Wer sich nach mehr Romantik sehne, müsse das sagen. „Mein Partner weiß nicht, was ich brauche“, so Schimanski. Er sei auch nicht verantwortlich für das eigene Glück. „Je glücklicher ich selber bin, desto glücklicher bin ich in der Paarbeziehung“ – mit oder ohne Trauschein.

Unfaire Bevorteilung - Ein Kommentar von Andrea Böhnke 

Ein Familienname, steuerliche Erleichterungen und das Recht, in einem medizinischen Notfall Auskunft zu erhalten – das sind nur einige Vorteile, die verheiratete Paare gegenüber unverheirateten haben. Das ist rechtlich so festgelegt. Ob das noch zeitgemäß ist, darüber lässt sich streiten.

Wenn mein Lebensgefährte einen Unfall hat und operiert werden muss, sollte ich auch als Unverheiratete das Recht haben, das zu erfahren. Zumindest, wenn wir das beide vorher offiziell festgelegt haben. Und ein bestimmtes Lebensmodell steuerlich zu bevorteilen, scheint wie ein Relikt aus alten Zeiten.

Wer heiraten will, soll heiraten. Wer nicht heiraten will, soll es lassen. Welchen Lebensentwurf ein Paar für sich wählt, sollte keinen Unterschied machen. Zumindest nicht vor dem Gesetz.