Bochum. Erst rund 17 Prozent der Bochumer Opel-Beschäftigten haben einen neuen Job. Einen Schub erwartet die Transfergesellschaft in der zweiten Jahreshälfte.
Ein Jahr nach dem Arbeitsbeginn der Transfergesellschaft des Tüv Nord Transfer für ehemalige Opel-Beschäftigte fällt die Halbzeitbilanz auf den ersten Blick ernüchternd aus. Erst 260 von einst 2600 ehemaligen Opelaner haben einen neuen Job.
220 bestreiten Einarbeitungsqualifikationen, die mit einer festen Beschäftigungsabsicht ihres künftigen Arbeitgebers verbunden ist. Etwa 80 Prozent von ihnen, das ist die Erfahrung des Tüv Nord Transfer, werden den Job bekommen. Etwa 440 von 2600 Opelanern hätte demnach bislang eine neue berufliche Perspektive – knapp 17 Prozent. Das ist weit weg von den 70 Prozent, die Hermann Oecking vor einem Jahr vorausgesagt hat.
Der Transfer-Geschäftsführer bleibt dennoch optimistisch: „Ich bin davon überzeugt, dass wir Ende 2016 eine vernünftige Vermittlungsquote erreichen werden.“ Das erste Jahr sei planmäßig verlaufen. Der Fokus habe vor allem auf Beratung, Neuorientierung und Qualifizierung gelegen. „Jetzt im nächsten Schritt geht es mit Nachdruck um die Vermittlung in neue Beschäftigung“, so Hermann Oecking.
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Für 700 der insgesamt 2600 frühere Opelaner endet allerdings in diesen Tagen die Zugehörigkeit zur Transfergesellschaft. Für diesen „rentennahen“ Teil der zum Schluss im Werk beschäftigten Mitarbeiter scheint eine Rückkehr auf dem Arbeitsmarkt eher unwahrscheinlich zu sein. Oecking schließt sie nicht in seine Prognose für die angestrebte Vermittlungsquote ein und geht von einer zu vermittelnden Personalzahl von 1900 aus. „Wenn davon am Ende des Jahres ein Drittel nicht bei der Agentur für Arbeit landen“, sei dies ein gutes Ergebnis.
Insgesamt etwa 1270 frühere Opelaner hofft er also dauerhaft in Lohn und Brot zu bringen. Abzüglich der schon versorgten 440 geht es dann darum, noch 830 passende Jobs zu finden und zu vermitteln.
Erheblicher Entgeltverlust
Dass noch nicht mehr ehemalige Opelaner einen neuen Arbeitgeber gefunden habe, liegt nach Einschätzung von Oecking und von Gernot Mühge, Arbeitsmarktforscher am Bochumer Helex Institut, vor allem am drohenden großen Entgeltverlust. Vielfach ist die Bezahlung in der Transfergesellschaft noch besser als der zu erwartende Lohn von vor allem mittelständischen Unternehmen. Zwischen 300 und 700 Euro netto, so Oecking, betrage der Unterschied zum früheren IG-Metall-Tariflohn bei Opel. Der Sozialtarifvertrag, der den Beschäftigten zum Teil erhebliche Abfindungszahlungen beschert und damit für einen echten „Nachteilsausgleich“ gesorgt hat, so Mühge, wirke daher im Hinblick einer schnellen Eingliederung eher kontraproduktiv.
Eine Einschätzung, die Opel-Betriebsrat Murat Yaman nicht teilt. „Den Kollegen ist schon bewusst, wie es draußen auf dem Markt aussieht“, sagt er über die früheren Mitarbeiter. Wichtig für sie sei es vor allem, langfristig sichere Jobs anzutreten. Im übrigen habe der Betriebsrat eine große Erwartungshaltung, was die Vermittlung betreffe.
Quote ist kein guter Indikator
Sozialwissenschaftler Gernot Mühge warnte derweil davor, die Arbeit der Transfergesellschaft allein an der Vermittlungsquote zu messen. Diese sei kein guter Erfolgsindikator, da der von Opel und der IG Metall ausgehandelte Sozialtarifvertrag „nicht auf schnelle Aktivierung ausgelegt“ war, „sondern auf eine hohe finanzielle und zeitliche Absicherung der Betroffenen“.
Stellenakquisiteurin Dr. Julia Kölsch stellt derweil fest: „Es bewegt sich etwas bei den früheren Opel-Mitarbeitern.“ Ihr Chef Hermann Oecking geht fest davon aus, dass die Vermittlung gegen Ende des Jahres sprunghaft ansteigen wird.
50.000 Beratungsgespräche in einem Jahr
Etwa 50.000 persönliche Beratungsgespräche hat der Tüv Nord Transfer 2014 geführt. 1600 Stellen wurden akquiriert, davon sieben Prozent bei Zeitarbeitsfirmen, und 2300 Mitarbeiter bei Unternehmen vorgestellt.
Die Vermittlungsquote bei früheren Transfergesellschaften für Opel Bochum lag zwischen 55 und 76 Prozent. „Die erste Transfergesellschaft war die erfolgreichste“, sagt Transfer-Geschäftsführer Hermann Oecking. Die Teilnehmer damals waren deutlich jünger als heute. Die letzte Opel-Belegschaft hatte ein Durchschnittsalter von 50 Jahren.
Nachdem nur noch 1900 Opelaner der Transfergesellschaft angehören, hat der Tüv seine Stellenzahl angepasst. Ein Mitarbeiter ist aber weiterhin für 40 bis 50 Opelaner zuständig, bei der Agentur für Arbeit liege der Schlüssel bei etwa 1:300.
Nachdem bereits zwei große Job-Messen und 25 Unternehmensvorstellungen im Verwaltungsgebäude des Opel-Werks III in Langendreer veranstaltet wurden, ist im Februar ein Speed-Dating geplant. Unternehmen und Opelaner sollen sich dabei kurz kennenlernen und ein Vorstellungsgespräch vereinbaren. Aus dem Europäischen Globalisierungsfonds werden in diesem Jahr Mittel in Höhe von knapp sieben Millionen Euro für weitere Qualifizierungen, Workshops und Nachbetreuungen bereitgestellt. Anders als im ersten Jahr, als die Qualifizierungen von Opel bezahlt wurden, kann der Tüv Nord Transfer die Weiterbildungen nicht selbst erledigen, sondern schreibt sie aus.