Bochum. Mit kostenlosen Operationen helfen Bochumer Krankenhäuser Kindern in Not. So auch einem zwölfjährigen Mädchen aus Afghanistan mit schwersten Fußverbrennungen.

Nadia kann wieder laufen. Noch unsicher zwar, mitunter staksig. Aber die Zwölfjährige steht wieder auf ihren eigenen, normal geformten Füßen. Stolz, fast ungläubig, als sei ein Wunder geschehen. Das hat sie dem Friedensdorf Oberhausen und dem Bergmannsheil zu verdanken, wo das Mädchen aus Afghanistan seit Jahresbeginn zweimal operiert wurde: kostenlos, ganz so, wie es auch in weiteren Bochumer Kliniken gehandhabt wird.

Krankenhäuser sind Wirtschaftsunternehmen. Kühl kalkulierend. Auf jedwede Einnahme angewiesen. Zu strikter Kostenkontrolle verpflichtet. Und doch bleibt Platz für Menschlichkeit. „Uns geht’s wirtschaftlich gut. Seit Jahren verzichten wir auf Weihnachtsgeschenke für unsere Mitarbeiter. So können wir unentgeltlich Gutes tun und Menschen in Not helfen“, sagt Johannes Schmitz, Geschäftsführer des Bergmannsheil.

150 Krankenhäuser unterstützen das Friedensdorf

Seit 1967 hilft das Friedensdorf International verletzten und kranken Jungen und Mädchen aus Kriegs- und Krisengebieten.

Mehrmals im Jahr werden Rettungsflüge gechartert. Rund 400 Kinder, für die in ihrer Heimat keine Chance auf Heilung besteht, werden zur medizinischen Behandlung nach Europa geholt.

Das Friedensdorf, das sich allein über Spenden und Beiträge finanziert, arbeitet mit bundesweit 150 Kliniken zusammen.

Seit Jahrzehnten arbeitet das Universitätsklinikum mit dem Friedensdorf Oberhausen zusammen. Jährlich sind es zwei bis drei schwer verletzte oder erkrankte Kinder aus Kriegs- und Armutsregionen, die vom Friedensdorf und ihren Partnerorganisationen für eine Behandlung vorgeschlagen werden. Die meisten aus Angola, Afghanistan und dem Kaukasus. Allesamt Jungen und Mädchen, für deren Operation in ihrer Heimat weder das Geld noch das medizinische Fachwissen vorhanden ist, weiß Mitarbeiterin Jasmin Peters.

Furchtbare Kontrakturen

So wie bei Nadia (Name geändert) aus der Provinz Sar-i-Pul im Norden Afghanistans. Als Zweijährige erlitt sie furchtbare Verbrennungen an beiden Füßen – „vermutlich durch einen Kerosinkocher, wie er dort oft an Feuerstellen verwendet wird. Dabei kommt es immer wieder zu schlimmen Unfällen“, sagt Prof. Dr. Marcus Lehnhardt, Direktor der Klinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte.

Zehn Jahre blieben die verstümmelten Füße von Nadia unbehandelt. 2014 machten Mitarbeiter des Friedensdorfes Prof. Lehnhardt auf das Mädchen aufmerksam. Fotos zeigten die bizarr entstellten Füße, die sich durch die Kontrakturen ans Schienbein geklappt hatten. „Es wird schwer. Aber es kann gelingen“, gaben Chefarzt und Klinikverwaltung grünes Licht für die OPs. Im Frühjahr wurde Nadia ausgeflogen. Im Sommer wurde im Bergmannsheil der linke, im November der rechte Fuß (bei dem eine Amputation drohte) in Normalstellung gebracht. Die Eingriffe waren erfolgreich. Nadia macht beim Laufen so große Fortschritte, dass sie Weihnachten im Friedensdorf verbringen kann. Im Februar soll sie nach Afghanistan zu ihrer Familie zurückkehren, die sie „total vermisst“, wie sie in inzwischen sehr passablem Deutsch erzählt.

Nadia kann wieder laufen. „Ein schönes Gefühl“, sagt sie. „Ein schönes Gefühl“, sagt auch Klinikchef Schmitz. „Helfen zu können: Das tut sehr, sehr gut.“

Auch Knappschaftskrankhaus und Katholisches Klinikum engagieren sich

Neben dem Bergmannsheil stellen sich weitere Bochumer Kliniken unentgeltlich in den Dienst der guten Sache.

„Wann immer uns eine Anfrage von Hilfsorganisationen erreicht, prüfen wir diese und nehmen die Operation kostenlos vor“, teilt das Knappschaftskrankenhaus mit. In diesem Jahr wurde u.a. die einjährige Safija aus Afghanistan in Langendreer behandelt. Das Mädchen leidet an einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Auf Bitten der Organisation „Kinder brauchen uns“ wurde die Kleine in Zusammenarbeit mit dem Marien-Hospital Witten operiert. Safija, so die Erwartung der Ärzte, kann nun daheim ein normales Leben führen – was ohne die OP unmöglich gewesen wäre.

Wichtige Hilfe leistet auch das Katholische Klinikum. Fünf Ärzte der Kinderklinik sind seit drei Monaten ehrenamtlich in den Flüchtlingsheimen Unterstraße und Harpener Feld im Einsatz. Wöchentlich behandeln sie rund 25 Kinder (meist mit Durchfall, Atemwegsinfekten und Hautinfektionen). Die Medikamente werden aus einem Fundus gespendeter Arzneien sowie aus Spenden von Mitarbeitern der Kinderklinik bereitgestellt.

Gleichfalls ehrenamtlich engagiert sich Prof. Stefan Dazert, Direktor der HNO-Klinik im St. Elisabeth-Hospital, für das afrikanische Land Ruanda, das vor 20 Jahren von einem fürchterlichen Bürgerkrieg verwüstet wurde. Im Mittelpunkt des Hilfsprojekts steht die Weiterbildung von Ärzten und Krankenschwestern. „Prof. Dazert reiste mehrfach nach Ruanda und setzt dafür seinen eigenen Urlaub ein. Eine Vergütung für die medizinische Tätigkeit erfolgt nicht. Bei seinen Reisen hat er OP-Material im Gepäck, das vom Katholischen Klinikum finanziert wird“, erklärt Kliniksprecher Jürgen Frech.

Im Helios St. Josefs-Hospital in Linden sind kostenlose Behandlungen und OPs „eine Seltenheit“. Sprecher Volker Martin: „Das liegt allein daran, dass wir über keine eigene Kinderklinik verfügen.“