Bochum.. Jedes Jahr bringt das Friedensdorf International verletzte und traumatisierte Kinder aus Krisengebieten zur Therapie nach Deutschland. Im Krankenhaus Bergmannsheil in Bochum wurde die kleine Rukshona behandelt. Nun kann sie wieder laufen.
„Ich habe keine Schmerzen mehr.“ Hinter Rukshona liegt ein langer, furchtbarer Leidensweg. Fortan will die Elfjährige mutig und frohgemut durchs Leben schreiten: auf ihren eigenen Beinen, auf zwei rekonstruierten Füßen.
Das Hilfswerk „Friedensdorf International“ lässt jährlich 300 schwer verletzte und traumatisierte Jungen und Mädchen aus Kriegs- und Armutsregionen in deutschen Krankenhäusern behandeln. Die Kliniken stellen sich kostenlos in den humanitären Dienst. So auch das Bergmannsheil. Vor einem Jahr war es der elfjährige Ali aus Afghanistan, dessen verkrüppelte Füße im Bochumer Universitätsklinikum operiert wurden. Mit nahezu identischen Verformungen beider Füße sah sich Prof. Dr. Hans-Ulrich Steinau, Direktor der renommierten Klinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte, bei Rukshona aus Tadschikistan konfrontiert. Mitte 2010 war sie vom Friedensdorf ausgeflogen und im Bergmannsheil untersucht worden. Als Kleinkind muss sich Rukshona schlimme Verbrennungen an den Füßen zugezogen haben. Die genauen Umstände sind unbekannt. „Als Kochstelle dienen am Hindukusch meist simple Erdlöcher. Gut möglich, dass Rukshona damals in ein solches Loch gestürzt ist“, mutmaßt Friedensdorf-Sprecherin Heike Bruckmann.
„Groteske Verformungen“ erfordern hohe Ärztekunst
Von „grotesken Verformungen“ spricht Prof. Steinau. Weil die Verletzungen nie behandelt wurden, zog sich das Narbengewebe in der Folgezeit zusammen. Die Zehen verkümmerten; die Fußsohlen verwuchsen mit dem Waden- und Schienbein. „Jahrelang konnte das Mädchen nur auf Fersenstümpfen humpeln.“
Hohe ärztliche Kunst und vier komplizierte Operationen waren erforderlich, um die Fußstellung zu richten und die fast vollständig verstümmelten Fußflächen wiederherzustellen. Dafür nutzten die Chirurgen Haut- und Muskelgewebe, das sie der Elfjährigen aus dem Oberschenkel und dem Rücken entnahmen.
Die Eingriffe zeigten den erhofften Erfolg. Rukshona steht und läuft wieder auf ihren eigenen Füßen. Schmerzfrei. Ohne Gehhilfen. Zwar bedarf es noch orthopädischer Schuhe (Farbwunsch: knallrot), um die Standfestigkeit zu gewährleisten. „Eine erneute Korrektur der Füße dürfte aber erst in vier bis fünf Jahren notwendig sein“, glaubt Prof. Steinau an einen weiter günstigen Heilungsverlauf.
Glücklich zurück in die Heimat
Ebenso wie Ali, der bei seiner Nachbehandlung in den vergangenen Wochen mit großem Hallo im Bergmannsheil begrüßt wurde, wird Rukshona am kommenden Samstag zurück in ihre Heimat fliegen. Dort wird sie von ihrer Familie schon sehnsüchtig erwartet. „Die Kinder kommen mit der langen Trennung meist gut klar. Sie spüren schnell: Hier wird mir geholfen; oft werden sie in den Kliniken auch ausgiebig verwöhnt. Die Eltern und Geschwister daheim indes haben mit der Trennung viel mehr zu kämpfen“, beobachtet Heike Bruckmann.
Derweil hat das Bergmannsheil schon den nächsten Notfall im Blick: Ein kleiner Junge aus Afghanistan bedarf mit schweren Brandverletzungen dringend der Hilfe der Bochumer Fachärzte. Die helfen gern. Prof. Steinau weiß aber auch: „Allzu viele Kinder bleiben zurück. Manche sterben.“