Bochum. Umsatzsteuerbetrug hält die Strafjustiz auf Trab: Bochumer Oberstaatsanwältin Koch kämpft gegen ein internationales „Karussell“ von Betrügerfirmen.

„Das ist organisierte Kriminalität im Bereich der Wirtschaft“, sagt Oberstaatsanwältin Cornelia Kötter. Sie beschreibt damit einen hochkomplizierten Straftat-Komplex, der die Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität und Korruption immer öfter und intensiver beschäftigt: das „Umsatzsteuer-Karussell“. „In den letzten Jahren ist das zunehmend Gegenstand der Ermittlungen“, sagt Cornelia Kötter auf WAZ-Anfrage. Bundesweit soll diese Masche beim Fiskus mehrere Milliarden Euro an Schaden pro Jahr anrichten.

Eine obere Etage im Justiz-Hochhaus am Westring: Dort sitzt Oberstaatsanwältin Koch, seit Jahren spezialisiert auf die schweren Fälle von internationalem Umsatzsteuerbetrug. Sie und zwei Kollegen sind ausschließlich Täterbanden auf der Spur, die mit Hilfe eines ausgeklügelten und oft schwer durchschaubaren Geflechts von Firmen und Scheinfirmen die deutschen Finanzämter betrügen. Dabei werden Waren aller Art von verschiedenen Firmen im In- und Ausland immer wieder im Kreis weiterkauft und dabei regelmäßig die bei den jeweiligen Einkäufen entrichtete Umsatzsteuer (19 Prozent) als „Vorsteuer“ vom Finanzamt zurückgefordert – die spätere Beute. Entsprechend des gemeinsamen Tatplans unterlässt es eine der an der Lieferkette beteiligten Firmen, die Umsatzsteuer ans Finanzamt abzuführen, indem sie plötzlich still und spurlos vom Markt verschwindet. Oft handelt es sich um Briefkastenfirmen mit Strohleuten als Geschäftsführer. „Missing Trader“, heißt das in der Strafjustiz – verlorene Händler.

Die meisten Beschuldigten sind geständig

Die beteiligten Firmen sind untereinander eingeweiht in den Betrug. Die Beute wird von den Tätern privat vereinnahmt oder dazu benutzt, dem Endverbraucher einen konkurrenzlos billigen Kaufpreis für Produkte anzubieten.

Aktuell hat sich Oberstaatsanwältin Koch in einen großen Fall aus dem Ruhrgebiet hineingearbeitet. Es geht um einen Getränke- und Zigaretten-Großhandel aus Dortmund. Im August waren unter ihrer Federführung frühmorgens rund 25 Personen verhaftet worden, darunter der Chef der Firma und auch Bochumer. 26 Millionen Euro Fiskalschaden soll allein dieser Fall angerichtet haben. Neun Männer sitzen noch in U-Haft. Allen droht ein Prozess am hiesigen Landgericht.

Die meisten Beschuldigten sind geständig. „Sehr gut“ sehe es da aus, sagt Ermittlerin Koch. „Wenn man schon mehrere Jahre an den Fällen arbeitet, ist die Beweislage sehr dicht.“ Und: „Es sind alles Papierbeweise.“ Also besonders aussagekräftig, belastbar und objektiv.

Die Beschuldigten müssen mit hohen Strafen rechnen. Erst im Frühjahr hat Ermittlerin Koch mehrere Umsatzsteuer-Betrüger nach einem Prozess in Bochum hinter Gitter gebracht. Der Haupttäter bekam mehr als sieben Jahre Haft.