Bochum. Zum Start in die Oktoberfest-Saison hat sich die WAZ in einem Bochumer Fachgeschäft einkleiden lassen. Da leggsd di nieda: Der Wiesn-Look ist gewöhnungsbedürftig.
„Zieht den Bayern die Lederhosen aus!“ Leidenschaftlich stimmte der Redakteur in den Schlachtruf der VfL-Fans ein, wenn die Münchner Millionarios zu seligen Erstliga-Zeiten gebührend an der Castroper Straße begrüßt wurden. Jetzt trägt er zum ersten Mal selbst eine Krachlederne. Nicht, um auf dicke Hose zu machen. Das Oktoberfest ist schuld. Diese altbajuwarische Tradition, die längst die Ruhris erreicht hat und mit der Zelt-Premiere am Kemnader See (Bericht unten) nun auch uns Bochumer auf die Biertische treiben soll.
Viele Mädels jenseits des Weißwurst-Äquators finden’s, ja cool, sich in der Oktoberfest-Saison in ein Dirndl zu schmeißen. „Es gibt immer mehr Kundinnen, die gezielt danach fragen. Vor fünf Jahren gab’s das hier noch gar nicht“, sagt Jutta Versteegen, die an der Grabenstraße das Modefachgeschäft „Barbara’s“ führt und als Österreicherin den perfekten Blick für den alpinen Look hat. Schon im August halten die ersten Damen bei ihr nach der hochwertigen Trachtenmode Ausschau, berichtet Jutta Versteegen. Manche reisen mit den Neuerwerbungen zum Wiesn-Original nach München. Andere belassen es bei den boomenden Bazi-Bällen in der Region.
Schicke Schnitte sind gefragt
Gern ist die freundliche Fachfrau bereit, der WAZ nicht nur ihre aktuelle Kollektion vorzustellen, sondern die dreiköpfige Zeitungstruppe auch stilecht einzukleiden. „In diesem Jahr ist die Damenmode nicht mehr so derb. Gefragt sind eher schicke Schnitte und Stoffe mit viel Taft und Glanz.“
Entsprechend edel fallen die Dirndl aus, mit denen sich unsere Mitarbeiterinnen Leonie Englisch und Henrike Adamsen schmücken dürfen. Die Verwandlung ist binnen weniger Minuten perfekt: Strahlend und so selbstsicher, als hätten sie nie etwas anderes getragen, schreiten die hübschen WAZ-Praktikantinnen aus der Umkleidekabine. Noch ein Haarreif für Henrike und ein Hörnchen-Kopfputz für Leonie: Fertig sind die Bochumer Trachten-Girls.
Der Redakteur hat deutlich schwerer an seiner Aufgabe zu tragen. Und damit ist nicht nur das beträchtliche Gewicht der Rindlederhose gemeint, die Jutta Versteegen für ihn zurechtgelegt hat. Mitsamt des typisch rot-karierten Hemdes, des Seppl-Hutes und der wollenen Wadl-Wärmer wähnt sich der Schreiber als Fehlbesetzung im Königlich-Bayerischen Amtsgericht. „Fesch schauen’s aus“, erbarmt sich die Chefin. „Oa gestandenes Mannsbild“, schmunzelt die Kollegin. Oans, zwoa, gsuffa: Mit einer Maß wäre das Malheur besser zu ertragen – vor allem beim Fototermin auf dem Dr. Ruer-Platz, wo Dutzende Passanten über die Möchtegern-Wiesngänger lachen und sicher auch lästern.
Trachten kosten bis zu 700 Euro
Nach 30 Minuten ist das Rollenspiel vorbei. Leonie und Henrike (die alsbald tatsächlich zum Oktoberfest in den Freistaat fährt) mögen sich nur schwerlich von ihrem Outfit trennen. Der Seppl für Arme indes ist heilfroh, wieder in seine Alltagsklamotten schlüpfen zu können. So „fesch“ und handwerklich top die Bayern-Kluft auch sein mag: Für Wampe und Wadl bietet der heimische Kleiderschrank doch bessere Alternativen – zumal die Trachten mit 500 bis 700 Euro für Sie und Ihn einen stolzen, wenn wohl auch angemessenen Preis haben.
Um Lederhosen geht’s dem VfL-Anhänger auch fortan nur beim Bayern-Schmähen. Nächste Saison ist es hoffentlich – ach was: ganz bestimmt wieder so weit...
Am Kemnader See wird erstmals ein Oktoberfest gefeiert
Die „Schürzenjäger“ heißen jetzt „Dorfspatzen“. „Wir haben Post vom Rechtsanwalt der Original- ,Schürzenjäger’ bekommen. Unsere Band muss kurzfristig umbenannt werden“, berichtet Organisationsleiter Frank Gerwers. Den Gästen wird’s schnuppe sein. Sie lassen sich gern auch von den „Kemnader Dorfspatzen“ unterhalten, wenn am Freitag, 2. Oktober, in Oveney das „1. Bochumer Oktoberfest“ startet.
Wie im ganzen Land findet der bajuwarische Brauch seit Jahren zwar auch in unserer Stadt immer mehr Freunde. Bis auf kleinere Fest-Formate etwa in Diskotheken blieb der ganz große Wurf bislang aber aus. Das soll sich ändern. Die Lago GmbH, die u.a. das Volksfest „Kemnade in Flammen“ veranstaltet, bittet erstmals zur Gaudi am See.
70 x 25 Meter umfasst das Festzelt, das auf der Wiese am Hafen Oveney aufgebaut wird. Das Areal ist nicht erste Wahl. Der Dr. Ruer-Platz war ebenso angedacht wie der Kirmesplatz an der Castroper Straße und die Public-Viewing-Wiese an der Jahrhunderthalle. „Wir haben zwei Jahre gesucht und verhandelt. Alles hat nicht funktioniert. Deshalb bleiben wir dort, wo wir sind“, sagt Michael Nehring, Chef der Lago GmbH, die in Oveney das Restaurant „Fabbrica Italiana“ betreibt.
Malle-Sänger sorgen für Stimmung
1700 Besucher finden unter den Party-Planen Platz. „Ordentlich“ laufe der Vorverkauf, sagt Frank Gerwers. Viele Gruppen von Vereinen über Firmen bis zu Freundeskreisen hätten sich schon ihre Tische gesichert. Reservierungen kosten ab 29,50 Euro inklusive Maß Bier, Essensgutschein (u.a. Weißwurst und Schweinsbraten) und Bogestra-Fahrt. An der Abendkasse werden 14,50 Euro inklusive Maß fällig. Für die „Musi“ sorgen die elf Dorfspatzen (eine eigens zusammengestellte Kapelle mit Profi-Musikern) und an den Fest-Sonntagen zwei bierzelterprobte Stimmungssänger: Peter Wackel („Malle ist nur einmal im Jahr“) am 4. Oktober und Willi Herren („So gehn die Gauchos“) zum Finale am 11. Oktober.
Mitsamt den sonntäglichen Frühschoppen und der „Uni-Wiesen“ mit Studi-Rabatt (am 8. Oktober) will die Lago-Riege das Zelt neunmal füllen. Eine Besucherprognose mag Michael Nehring zum Auftakt nicht abgeben. Er spricht von „Aufbauarbeit“. Der Pachtvertrag für das Oveney-Areal läuft noch 17 Jahre.