Bochum. Sechs Leserbeiräte der WAZ Bochum rufen zur OB-Wahl am Sonntag auf. Zwei Beiräte indes erklären, warum sie diesmal ihre Stimme nicht abgeben werden.

Knapp 300.000 Bochumer haben am Sonntag die Wahl: Wer wird Nachfolger von Ottilie Scholz? Zum ersten (und wohl einzigen) Mal gibt es eine reine OB-Wahl. Egal welcher politischen Farbenlehre man anhängt: Möglichst viele Bürgerinnen und Bürger sollen ihre Stimme abgeben, appellieren sechs WAZ-Leserbeiräte in ihren Aufrufen. Zwei Beiräte indes bekennen sich – „nach intensivem Nachdenken“ – zum Nicht-Wählen. Hier sind die Argumente.

Wählen als Bürgerpflicht

Richard von Weizsäcker mahnte: „Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.“ Nur wer nicht weiß, wie unendlich schwer das allgemeine Wahlrecht, das anderswo bis heute keineswegs selbstverständlich ist, vor nicht allzu langer Zeit erkämpft wurde, wird leichtfertig darauf verzichten, es wahrzunehmen. Deshalb ist es Bürgerpflicht, wählen zu gehen. Wer keine der zur Wahl stehenden Personen oder Parteien wählen möchte, hat immerhin die Möglichkeit, seinen Willen durch die Abgabe eines ungültigen Stimmzettels kund zu tun. Also: Nehmen Sie Ihr Recht wahr! Gehen Sie wählen! Michaela Charlé

Extremisten nicht stärken

Ich gehe immer zur Wahl, auch wenn ich nicht die perfekte Person bzw. Partei wählen kann. Wenn ich ,das kleinste Übel’ wähle, unterstütze ich jedenfalls nicht das größte. Nichtwähler (meist der Mitte zugehörig) sind leider mitverantwortlich für den Erfolg der rechten und linken Extremisten, die unserem Gemeinwohl generell schaden.
Hans-Hagen von Döhren

Reine OB-Wahl ist schwierig

Ich gehe natürlich zur Wahl und helfe als Wahlhelfer. Nur eine Wahl des Oberbürgermeisters ohne Ratswahl halte ich aber für schwierig, weil es für mich Unsinn ist, jemanden zu wählen, der nicht der Mehrheit im Rat angehört. Meine Befürchtung wäre, dass der sich Blutblasen läuft und nichts passiert. Peter Frensch

Jede Stimme zählt

Ich gebe bei der OB-Wahl meine Stimme ab, weil ich mitbestimmen will, wie es in und mit Bochum weitergeht. Auch wenn es nur eine Stimme ist, so ist es doch meine(!) und die will ich nicht ungenutzt lassen. Viele Menschen sind der Meinung, dass eine Stimme mehr oder weniger nichts ausmacht. Aber warum lässt man bei etwas so Wichtigem zu, dass die Entscheidung ohne das eigene Zutun getroffen wird? Vor allem bei der OB-Wahl: Es geht um die eigene Stadt, nicht um komplizierte Parteiprogramme. Es gibt zwölf Kandidaten und man kann sich leicht darüber informieren, wer welche Standpunkte vertritt. Miriam Willms

Demokratie leben

Jede Wahl, gleichgültig auf welcher Ebene, gibt mir die Möglichkeit, Demokratie zu leben. Für mich ist es ein hoher Wert, in einer demokratischen Gesellschaft zu leben, in der ich wählen gehen kann. Elisabeth Hartmann-Kulla

Stadt im Rückwärtsgang

Seit Jahrzehnten wird diese Stadt von SPD-Politikern geführt. Alle Skandale, Finanzspekulationen, Baudenkmäler prallten an diesen Politikern ab. Die Stadt befindet sich permanent im Rückwärtsgang. Das vor einigen Jahren von OB Dr. Scholz durchgeführte Bürgerforum hat außer vieler Versprechungen keine Veränderungen gezeigt. Von den zur Wahl stehenden Kandidaten sehe ich keinen, der die nötige Qualifikation und den Willen zur Veränderung des SPD-Systems im Rathaus aufweisen kann. Deshalb werde ich nicht wählen. Herbert Johannsen

Qualifikationen reichen nicht

Persönliches Erleben, die Teilnahme an Diskussionen und der wöchentliche WAZ-Kandidaten-Check brachten mich zu meiner unumstößlichen Überzeugung: In diesem Kreis erkenne ich keine Person, die mir aufgrund ihrer Vita, Außendarstellung usw. in der Lage zu sein scheint, unserer Stadt entsprechende Impulse zu geben. Während für nachgeordnete Positionen Stellen ausgeschrieben werden, Headhunter unterwegs sind und Auswahlgespräche anstehen, erkenne ich in keiner Person eine Qualifikation, um so einen großen Laden zu führen. Denn Geld gibt es nicht mehr groß zu verteilen, die Probleme werden wachsen... Herbert Nagel

WAZ-Faktencheck zur Wahl: „Wölfi“ liegt richtig - im Prinzip

„Wölfi“ grollte. Ohne das Sponsoring etwa beim Zeltfestival könnte die Sparkasse ihre Gewinnausschüttung an die Stadt zum Nutzen aller Steuerzahler erhöhen, so OB-Bewerber Wolfgang Wendland beim Kandidaten-Check der WAZ. Stimmt das? Kämen die eingesparten Gelder tatsächlich dem Stadtsäckel zugute? Ein Faktencheck.

„Herr Wendland hat im Prinzip recht“, erklärt Ingo Wiemann, Sachbearbeiter bei der Stadtkämmerei. Jeder Euro, den die Sparkasse nicht für das Sponsoring ausgäbe, könnte als Plus bei der Gewinnausschüttung verbucht werden. Die lag in den vergangenen Jahren konstant bei jeweils 14 bis 15 Millionen Euro. Für Sponsoring-Aktivitäten gab das öffentlich-rechtliche Geldinstitut derweil 3 Millionen Euro (2013) und 5,3 Millionen Euro (2014) aus. Heißt: Die Ausschüttung könnte ohne PR-Gelder über 20 Millionen Euro betragen.

Die kämen dem allgemeinen Haushalt zugute, so Wiemann. Das Sparkassengesetz regelt zwar, dass der Jahresüberschuss allein „gemeinwohlorientiert“ und zur „Förderung des kommunalen, bürgerschaftlichen und trägerschaftlichen Engagements“ zu verwenden ist. „Es gibt in Bochum aber keine einzelnen Zuweisungen. Indem das Geld der Sparkasse für Haushaltsausgaben wie Bäder oder Bildung bereit steht, gilt es als gemeinnützig verwendet“, so Wiemann.

Fazit: Der Sparkassen-Bonus lindert sehr wohl die Not der Stadtkasse. Allerdings: Auch Sponsoren- und Spendengelder dienen sozialen Zwecken. Jährlich 300 Projekte werden damit unterstützt.