Bochum. . Eine Bochumer Mutter (36) fühlt sich seit fünf Jahren gestalkt. Trotz heftigster Schmähungen im Internet finde sie keinerlei Hilfe, klagt die Frau.

„Ich kann nicht mehr. Irgendjemand muss mir doch helfen!“ Karin Bauer (Name geändert) ist verzweifelt. Seit fünf Jahren fühlt sich die Mutter von einer „mir völlig fremden Frau“ verfolgt und denunziert. Alle Versuche, rechtlich gegen das mutmaßliche Stalking vorzugehen, sind bislang gescheitert. Die Stadt immerhin signalisiert: „Wir haben verstanden.“

Übelster Natur sind die Beleidigungen, denen sich Karin Bauer im Internet ausgesetzt sieht. Urheberin: Die Ex-Partnerin ihres Halbbruders, zu dem die 36-Jährige längst keinen Kontakt mehr hat – ebenso wenig wie zu dessen ehemaliger Freundin, „die ich nur einmal persönlich getroffen habe“.

Klage nicht im öffentlichen Interesse

Gleichwohl mache „diese Frau“ ihr das Leben zur Hölle, beklagt die Angestellte. Seit 2010 werde sie im Internet, vorwiegend auf Facebook, mit den schlimmsten Schmähungen überzogen. Der immer wiederkehrende Vorwurf: Karin Bauer und ihr Ehemann misshandelten und vernachlässigten ihre Tochter (7). „Miststück“,. „Gesox“, „asoziales Pack“, „Hitler hat vergessen sie zu vergasen“: „Beinahe täglich werden wir im Netz mit vollem Namen und mit Fotos terrorisiert – auch auf Seiten, die öffentlich gelesen werden können“, sagt Karin Bauer und legt der WAZ dutzende einschlägige Ausdrucke vor. „Die Frau muss psychisch krank sein. Sie will, dass man uns unsere Tochter wegnimmt. Ständig schwärzt sie uns beim Jugendamt an. Dabei haben wir uns niemals etwas zu schulden kommen lassen.“

Wo Opfer Rat und Hilfe finden

Stalking ist seit acht Jahren ein eigener Straftatbestand (juristisch: „Nachstellung“). Betroffen sind zu 90 Prozent Frauen.

Wer sich gestalkt fühlt, kann Strafanzeige bei der Polizei erstatten. Das Amtsgericht kann dem mutmaßlichen Stalker per „Schutzanweisung“ dauerhaft jedweden Kontakt verbieten.

Weitergehende Beratung und Unterstützung in Bochum leisten drei Einrichtungen:

Polizeipräsidium (Kriminalitätsvorbeugung/Opferschutz, 0234/909 40 55), der Weiße
Ring
(0234/41 33 98) und die Katholische Ehe-, Familien- und Lebensberatung (0234/
307 90 30).

„Natürlich“ habe sie frühzeitig und mehrfach Strafanzeige gestellt. Doch stets hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren eingestellt. Es seien „keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ von Familie Bauer ersichtlich, teilte die Staatsanwaltschaft zuletzt im Mai mit. Als „Beeinträchtigungen“ gewertet würden „die Aufgabe des Arbeitsplatzes, Umzug aus der Wohnung, Verlassen der Wohnung nur in Begleitung oder Auswandern“. So aber liege die Erhebung einer Klage „nicht im öffentlichen Interesse“, bekräftigen die Ermittler.

Stadt nimmt nur vage Stellung

Ein Unding, meint Karin Bauer – und ist seit dieser Woche wieder in heller Aufruhr. „Unsere ,Freundin’ hat uns wieder mal beim Jugendamt angezeigt. Tatsächlich standen am Dienstag erneut Mitarbeiter vor der Tür und nahmen eine Kontrolle vor. Wir sind fix und fertig. Wir sind doch eine ganz normale Familie!“

Die Stadt kann wegen der Schweigepflicht nur vage Stellung nehmen, gibt aber zu verstehen, auf Seiten von Familie Bauer zu sein. „Wenn wir Hinweise auf eine mutmaßliche Verletzung des Kindeswohls erhalten, geht das Jugendamt diesen Anschuldigungen von Amts wegen nach, bei Bedarf auch häufiger“, erklärt Sprecherin Barbara Gottschlich. Sollte sich jedoch nachhaltig erweisen, dass die Anschuldigungen falsch sind, werden die Mitarbeiter im Jugendamt informiert. Auf weitere Besuche werde dann verzichtet. Das, so heißt es im Rathaus, ist eigentlich auch bei Familie Bauer der Fall. Weil die aktuelle Anzeige vom Bereitschaftsdienst der Stiftung Overdyck bearbeitet wurde, sei es gleichwohl noch einmal zu einem Besuch gekommen. Eine Verletzung des Kindeswohls sei auch dabei nicht festgestellt worden.

Update 4.9.2015: Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen eine Bochumerin erhoben, der vorgeworfen wird, die 36-Jährige im Internet mehrfach beleidigt zu haben. Noch im Mai hatte die Behörde die Ermittlungen eingestellt, weil kein öffentliches Interesse vorliege. Nun soll sich die Bochumerin doch noch vor Gericht verantworten, teilt die Staatsanwaltschaft mit. Das Verfahren liege zur Terminierung bei einem Einzelrichter.