Bochum. . Das Jüdische Zentrum in Bochum fordert zusätzliche Hilfen für demente Senioren. Die Kontingentflüchtlinge besitzen keine Pflegeversicherung.
Die Alzheimer-Gesellschaft macht sich für jüdische Mitbürger in Bochum stark, die in den 90er Jahren als Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion aus Angst vor Repressalien nach Bochum gekommen sind. „Viele sind mittlerweile dement und pflegebedürftig. Doch die Leistungen des Sozialamtes reichen meist nicht für eine angemessene Betreuung aus. Diese Versorgungslücke muss endlich geschlossen werden“, fordert der Vorsitzende Wolfgang Wessels.
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Auf über 40 beziffert das Jüdisch-Soziokulturelle Zentrum Yahad Haverim an der Kronenstraße die Zahl der betroffenen Migranten. „Es sind unsere Eltern und Großeltern, die bei ihrer Einreise zu alt oder krank waren, um noch berufstätig zu sein“, schildert die Vorsitzende Anna Beckermann. Folge: Die Flüchtlinge (damals nach Kontingenten aufgeteilt auf die Bundesländer) landeten in der Sozialhilfe und sind bis heute ohne Kranken- und Pflegeversicherung.
Inzwischen teils deutlich über 80 Jahre alt, beziehen die altersverwirrten Senioren vom Sozialamt „Hilfe zur Pflege“. „Die Familien geben alles. Aber übernommen werden nur Teile der körperlichen Pflege. Die psychische Begleitung entfällt ebenso wie die sonst übliche Verhinderungspflege bei Urlaub oder die Familienpflegezeit für Arbeitnehmer“, schildert Wessels. „Die Familien fühlen sich allein gelassen. Dabei wollen sie eine Heimunterbringung doch unbedingt vermeiden.“
Ämter und Regierungsstellen angeschrieben
Vor zwei Jahren gelang es dem Jüdischen Zentrum, junge Helfer im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes zu gewinnen. „Aber viele unserer Alten sind durch die Gräuel der Nazi-Zeit traumatisiert. Sie benötigen eine qualifizierte Betreuung. Das konnten die ,Bufdis’ nicht leisten“, erklärt Anna Beckermann.
Das Zentrum schulte daraufhin eigene Mitarbeiter, die auch der russischen Sprache mächtig sind. Allein über das Ehrenamt sei die Pflege der Demenzkranken und die Hilfe für die „völlig überforderten“ Familien aber nicht zu stemmen, betont Wessels: „Die öffentliche Hand ist finanziell gefordert. Immerhin geht es um Menschen, die nicht selten ihre Eltern durch den Nationalsozialismus verloren haben.“
„Wir haben an etliche Ämter und Regierungsstellen geschrieben. Alle weisen die Verantwortung von sich“, so Anna Beckermann. Die Forderung nach zusätzlichen Betreuungsleistungen bis zu 200 Euro im Monat lehnte das Sozialamt bereits im letzten Jahr ab. Gleichwohl schlägt der stellvertretende Leiter Lothar Lissek die Tür nicht zu. Eine pauschale Zahlung könne nicht erfolgen. „Wie bei allen Leistungsempfängern gibt es aber auch bei diesem Personenkreis die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung durch unsere Fachkräfte“, so Lissek zur WAZ. „Danach richtet sich, ob und welche Pflegeleistungen erforderlich sind.“