Bochum-Mitte. Das über 100 Jahre alte Haus an der Wielandstraße im Wandel der Zeit. Landrat Karl Gerstein wollte Energieversorgung der öffentlichen Hand.
In den Hochzeiten arbeiteten bis zu 900 Menschen in der damaligen RWE-Bezirksdirektion an der Wielandstraße. Zuletzt waren es noch etwa 200 Mitarbeiter aus dem Bereich Geschäftskundenvertrieb und den Call-Centern, bevor im Oktober letzten Jahres der Konzern den Standort aufgab.
Über 100 Jahre alt ist das Verwaltungsgebäude, das klassizistische und Jugendstilelemente trägt. Und nun steht es möglicherweise vor dem Abriss, wie einige Bewohner in der Nachbarschaft befürchten und verweisen auf die Denkmalbereichssatzung Stadtparkviertel; auf dem Grundstück ist Wohnbebauung geplant.
Reinhard Dreischer hat 20 Jahre lang an der Wielandstraße gearbeitet; bis 2009 saß er in dem historischen Bau, wusste sommers die dicken Wände sehr zu schätzen. „Das Gebäude hat eine gute Bausubstanz. Vielleicht mit ein Grund, warum es im Krieg nur teilweise zerstört worden war.“ Deshalb findet er z.B. die Idee des Wettbewerbgewinners Wolfgang Krenz gut, das Gebäude für Studentenwohnungen umzubauen.
Architekt war NSDAP-Mitglied
Die VEW, die 1925 mit RWE fusionierte, hatte Dreischer als Historiker angestellt. Als solcher hat er lokalhistorische Artikel und Bücher verfasst. Die Geschichte seines alten Arbeitsplatzes im Stadtparkviertel lässt ihn nicht los. Privat hat er alte Aufnahmen und Berichte gesammelt, in Archiven und online recherchiert. So stieß er etwa auf einen 5-Milliarden-Notgeldschein von 1923, auf dem das Verwaltungsgebäude prangt.
Und auf unrühmliche Begleitmusik: So war der Architekt Karl Elkart (1880-1950), Stadtbaumeister in Bochum von 1912 bis ‘18, förderndes Mitglied der NSDAP. Elkart war auch an der Deportation polnischer Juden beteiligt. Anschließend kaufte er deren Häuser, um die Altstadt sanieren zu können. Darüber hinaus war Elkart im Zweiten Weltkrieg verantwortlich für den Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern. „Er hat seine Vergangenheit unbeschadet überstanden.“ 1946 – formal rehabilitiert — ließ er sich in den Ruhestand versetzen.
Einrichtung eines Call-Centers
Landrat Karl Gerstein gründete 1906 das Elektrizitätswerk Westfalen in Bochum. Acht Jahre später war dessen Sitz an der Wielandstraße 82 fertig. 1925 wird die Bochumer Verwaltung Zweigstelle der neu gegründeten VEW. Die Stadtwerke bezogen fortan ihren Strom von den VEW. Ein Bombentreffer 1944 zerstörte das Gebäude in Teilen – ein Argument für die Abriss-Befürworter: Durch den Wiederaufbau verlor es seine historische Authentizität.
1976 wurde ein Neubau angegliedert, parallel der Altbau renoviert. Kurz vor der Jahrtausendwende gab’s abermals Umbauarbeiten, diesmal für die Einrichtung eines Call-Centers. Der Betrieb wurde nur noch provisorisch geführt. Der Abbau von Arbeitsplätzen ist heute laut RWE der Grund, den Standort aufzugeben.
Ideen von Studentenwohnheim bis Apartments
Geplant ist, auf dem 22.000 Quadratmeter großen Grundstück ein Wohnquartier mit bis zu 250 Wohnungen zu bauen. Die RWE-Service GmbH will das Areal entwickeln und verkaufen, sucht einen Bauträger. Dazu hat sie einen Architektenwettbewerb ausgelobt.
Alle beteiligten Büros hatten die Aufgabe, die Wohnhäuser sowohl mit Erhalt des Altgebäudes als auch ohne zu planen.
Noch aber ist nichts entschieden. Alle Vorschläge, Einwände und Kritiken von der Stadt wie auch von Bürgern werden zunächst gesammelt. Ulrich Bräutigam, RWE-Service: „Wir tragen derzeit die Fakten zusammen und überarbeiten alles. Auf wessen Entwurf als Basis dies erfolgt, steht auch noch nicht fest.“
Entscheidung im Oktober
Wettbewerbssieger wurde das Büro Archwerk Generalplaner aus Bochum mit Prof. Wolfgang Krenz. Er schlägt vor, den Altbau zum Studentenwohnheim umzubauen. Platz zwei ging an das Büro Christoph Mäckler Architekten aus Frankfurt. In dessen Entwurf soll das Gebäude bei Erhalt für Apartmentwohnungen genutzt werden.
Ulrich Bräutigam: „Wir müssen aber auch die Wirtschaftlichkeit betrachten; unter welchen Bedingungen lohnt sich ein Erhalt des Verwaltungsgebäudes, das eine umfangreiche Brandschutzsanierung bräuchte. Dies soll extern untersucht werden. Wenn sich ein Bauträger findet, der die Investition in Studentenwohnungen oder als Apartmenthaus nicht scheut, umso besser. Uns treibt keiner zum Abriss.“
Im August/September soll es weitere Gespräche geben und vermutlich im Oktober eine Bürgeranhörung. Dann will RWE am Standort Wielandstraße 82 die Nachbarn über die Entwurfsentscheidung informieren.