Bochum. „I.S.T.“ bringt es auf einen Jahresumsatz von 20 Millionen Euro. Nun tüftelt das Unternehmen an Lösungen für beschädigte Ölpipelines.

Es gibt charmantere Geschäftsfelder, Jörg Vogt macht daraus keinen Hehl. Und auch der Name seiner Firma, „I.S.T.“, sei „schrecklich“, so der 50-Jährige. Aber er sei treffend, IST. steht für Innovative Sewer Technologies (Innovative Abwasserkanal Technologien). Er sei mittlerweile weltweit eingeführt („in der Branche ist er ein Begriff, selbst in Chile“). Und er geht einher mit einer fulminanten Entwicklung. 1998 als Zwei-Mann-Unternehmen gegründet, hat der Komplettanbieter für Rohr- und Kanalsanierung ein steiles Wachstum hinter sich.

Knapp 20 Millionen Euro Jahresumsatz verzeichnet IST und hat dabei auch die Turbulenzen um die umstrittene Dichtheitsprüfung überstanden. Zumal es sein Geld mehrheitlich jenseits der Grenze verdient. „Der Auslandsanteil unseres Geschäfts beträgt etwa 60 Prozent“, sagt Gründer, Geschäftsführer und Inhaber Vogt, der Niederlassungen in Spanien (Madrid), Dänemark (Kopenhagen), USA (San Diego), Schweiz (Zürich) und Bahrain (Manama) gegründet hat.

Begonnen hat der Chemiker nach dem Studium bei der Flachglas AG. „Dann habe ich jemanden kennen gelernt, der mich gefragt hat, ob ich ein System für die Sanierung von Kleinabwasserleitungen vertreiben möchte.“ Vogt holte Rat bei seinem Vater ein, der beim Tiefbauamt der Stadt Bochum arbeitete. Und der sagte: „Das ist die Zukunft. Wenn du Mut hast, mach es.“

Rohr-in-Rohr-System

Es war die Initialzündung für die Selbstständigkeit. Jahre später wurde aus dem reinen Handel die Entwicklung und der Vertrieb eigener Produkte wie einem Filzschlauch, der in die defekten Abwasserrohre eingebracht wird. Mit Harz beschichtet, der in wenigen Stunden aushärtet, entsteht so ein Rohr im Rohr, „das deutlich stabiler ist als das alte und eine doppelte so lange Lebensdauer wie die alten Steinzeugrohre hat“. Der Vorteil: Es muss nicht gegraben werden, was Zeit und Geld spart. Eine pfiffige Idee und Beginn eines guten Geschäfts.

IST-Techniker Michael Schlüter arbeitet an einem Rollsystem für UV-Licht. Damit werden Rohre ausgehärtet.
IST-Techniker Michael Schlüter arbeitet an einem Rollsystem für UV-Licht. Damit werden Rohre ausgehärtet. © WAZ FotoPool / Ingo Otto

Gemeinsam mit seiner Mannschaft hat es Jörg Vogt weiter ausgebaut. Als einziger der sieben, acht nationalen Marktteilnehmer biete IST Produkte aus den Bereichen Verbrauchsmaterial, Roboter und Hardware an. Das sei ebenso ein Trumpf wie der Service. Dazu gehören etwa regelmäßige Schulungen in der Firmenzentrale an der Rombacher Hütte. „Im September waren 400 Gäste aus 16 Ländern und von vier Kontinenten für einige Tage bei uns zu Gast“, so Vogt. Das sei effektiver als jeder Messestand. „Hier habe ich die Interessenten für mich alleine, die gehen nicht einen Stand weiter zum nächsten Anbieter.“

Roboter für 200 000 Euro

Längst hat IST weitere Produkte entwickelt, auch gemeinsam mit der Uni Offenburg und mit Hilfe öffentlicher Gelder. Dazu gehören Multifunktionsroboter, die aussehen wie überdimensionale, metallene Zigarren. Sie sind mit Kamera, Sensoren, Fräsköpfen und viel Software ausgestattet, um etwa nach dem Einzug des neuen Rohrs die Anschlüsse zu den vorübergehend versperrten Hauskanälen an der richtigen Stelle auszufräsen. Zwei Jahre hat die Entwicklung gedauert und eine Million Euro gekostet. Die Mühe hat sich gelohnt. Bis zu 50 Exemplare werden jährlich verkauft zum Einzelpreis von 150 000 bis 200 000 Euro, die Abnehmer sind Rohrreinigungs-, Tiefbau- oder Rohrsanierungsunternehmen.

Ein „kleiner Bruder“ des Power Cutter, der Sound Check, für den die Kunden 15 000 bis 18 000 Euro berappen müssen und der mit Schallwellen arbeitet, steht kurz vor der Markteinführung. Das alleine verspricht dauerhaft gute Umsätze, zumal allein im Ruhrgebiet nach Schätzungen von Ingenieurbüros, so Vogt, 80 Prozent der Rohre im Abwasserbereich defekt sind, und in anderen Ländern wie etwa Spanien auch Wasserleitungen zum Teil erheblich beschädigt sind. Aber nun taucht auch noch ein neuer Geschäftszweig am Horizont auf: defekte Ölpipelines. „Öl ist ein Riesenthema. Das ist ein gigantischer Markt“, frohlockt Jörg Vogt. Längst tüftelt IST an dem Problem korrodierter Stahlrohre, in einigen Wochen steht der nächste Termin beim weltweit größten Erdölproduzenten Aramco in Saudi-Arabien an. Charmanter wird das Geschäft damit zwar nicht. Aber die Umsätze könnten noch einmal deutlich nach oben schießen.

Bodenständigkeit und Reiselust sind kein Widerspruch 

Mit Musik geht alles besser. Findet Jörg Vogt. In seinem Büro lässt er sich, wenn nicht gerade Besuch da ist, fortwährend von seichten Klängen aus dem Internetradio unterhalten. Das entspannt und ist vielleicht einer der Schlüssel dafür, warum der 50-Jährige so erfolgreich ist.

Am richtigen Ort, zur richtigen Zeit die Dinge richtig anpacken. Das ist sein Credo. Dazu gehöre auch, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen, wenn der eingeschlagene Weg offenkundig in die Irre führt. Ein Jahr lang habe er mal versucht, seine Produkte nicht nur herzustellen, sondern auch als Dienstleister anzubieten. „Aber das haben wir schnell wieder sein lassen“, sagt er. Die Kundschaft drohte zur Konkurrenz abzuwandern.

MEIN JOB: Bereichsleiter Technik

Er ist ein Mann der ersten Stunde. Wilfried Oberkönig (44) hat 1999 bei „I.S.T.“ angefangen und fühlt sich heute, obwohl er als „Manager Technical Equipment“, wie es auf seiner Visitenkarte steht, längst einen der drei Geschäftsbereiche der Firma verantwortet, ein bisschen immer noch wie das „Mädchen für alles“; so wie es früher einmal gewesen ist.

Zwischenzeitlich war der Diplom-Ingenieur der Entsorgungstechnik zwar mal für knapp ein Jahr woanders tätig, aber die Arbeit bei einem Wasserverband war für ihn nicht halb so spannend wie bei seinem früheren und jetzigen Arbeitgeber. Dessen Pfund: unter anderem die flache Hie-
rarchie und weltweite Aktivität.

Vor allem aber schätzt der 44-Jährige, dessen Fußballerherz am 1.FC Köln hängt, eines: „Wir leben hier unser „I“. Tüfteln und Entwickeln ist ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit. Und das ist ganz nach dem Geschmack des Tüftlers Oberkönig, auch wenn der mittlerweile als Manager mehr tüfteln lässt.

Auf Anhieb richtig war die Entscheidung, an der Rombacher Hütte ein Häuschen weiter zu ziehen und aus dem gemieteten Objekt nebenan in die jetzt eigene Immobilie am Ende der Straße zu ziehen. Sie entspreche nicht nur genau den Anforderungen („wir brauchen viel Büro- sowie Werkstatt- und Lagerfläche“), sondern mache auch nach außen viel her und ist offenbar auch perfekt für die Kundenbetreuung. Gäste, die an den Seminaren teilnehmen oder die auf die Reparatur von Teilen warten, können sich in der verglasten Lounge mit Wohlfühlatmosphäre oder im imposanten Spielzimmer entspannen, wo es vom Air-Hockey-Spiel über den Poker-Tisch bis zum obligatorischen Kicker an nichts fehlt.

Wohlfühlen am Arbeitsplatz

Auch die Belegschaft verbringe dort bisweilen Zeit – in den Pausen oder nach der Arbeit. Und das ist aus Sicht des Chefs auch gut so. „Wir beschäftigen uns so lange am Tag mit Arbeit, da ist es wichtig sich am Arbeitsplatz wohl zu fühlen.“

Das gilt auch für ihn. Wenn Vogt an seinem breiten Schreibtisch mit dem dreiteiligen, kaum minder breiten Computerbildschirm-Ensemble sitzt, blickt er auf eine riesige Weltkarte. Die inspiriert, was gut fürs Geschäft ist; unterstreicht seine Reiselust, was gleichermaßen Geschäft und Wohlbefinden fördert; ist aber auch Ausdruck eines unsteten Geistes. „Wenn Sachen laufen, sind sie mir langweilig. Dann suche ich neue Herausforderungen.“

So wie früher im Sport. Bis zur Regionalliga hat er es als Basketballer gebracht. Heute unterstützt er den Zweitligisten Astro Stars Bochum, als Trikotsponsor hat IST seinen Teil an der Erfolgsgeschichte des Klubs. Bei allem Fernweh, Bodenständigkeit ist Jörg Vogt wichtig. Auch beruflich. Er hat sich für Bochum als Standort seiner Firma entschieden. Und dabei soll es bleiben.