Bochum. Überfüllte Bahnen auf der Campus-Linie werden vom akademischen Nachwuchs heiß diskutiert. Manche finden es unzumutbar, andere sehen es gelassen.

Die digitale Bahnhofsuhr zeigt „9:43“ Uhr an. Mit einem Rauschen aus dem Tunnel kündigt sich die U-Bahn an. Auf dem Bahnsteig setzen sich dutzende Beinpaare hektisch in Bewegung. Das Gedränge um die besten Plätze vor den Türen beginnt. Fahrgäste kämpfen sich durch die Menschen-Traube aus der Bahn heraus, dann strömt die Masse hinein. Nach rund 30 Sekunden fährt die volle Bahn weiter – einige Fahrgäste müssen jedoch draußen bleiben.

Szenen wie diese gehören in der U 35 zum Alltag. Zumindest werktags müssen die Fahrgäste zu den Spitzenzeiten (morgens zwischen sieben und circa zehn Uhr, nachmittags an der Uni zwischen 15 und 17 Uhr) mit überfüllten Bahnen und Wartezeiten rechnen.

Bis zu 90.000 Fahrgäste pro Tag

Die meistgenutzte Bochumer Bahn-Linie befördert werktags bis zu 90.000 Fahrgäste. Viele von ihnen sind Studenten, die zwischen Hauptbahnhof und Ruhr-Universität pendeln. Ihre Zahl kann die Bogestra nur schwer schätzen. In den vergangenen zwei Jahren dürften es durch die steigenden Studierendenzahlen aber nochmals mehr geworden sein, vermutet Uni-Sprecher Jens Wylkop. „Seit dem Wintersemester 2012/13 hat sich die Studierendenzahl von 39.000 auf aktuell 42.700 erhöht, was sich auch auf die Campus-Linie auswirkt.“

Dass die U 35 immer mehr aus allen Nähten platzt, wollen während der Bahnfahrt zur Uni aber längst nicht alle Studenten bestätigen. Auf WAZ-Nachfrage sind die Meinungen im Abteil – das übrigens alles andere als überfüllt ist – gemischt. Manch einer ist von den vollen Zügen so genervt, dass er Tricks anwendet, um einen Sitzplatz zu ergattern. „Ich fahre manchmal erst eine Station in die andere Richtung und steige dort dann wieder um“, verrät Student Kai Ruhnau. Andere sehen die Situation dagegen gelassen. Die Verbindung sei nicht schlechter als noch vor zwei Jahren und die Wartezeiten seien nur zu Beginn des Semesters besonders lang, sagen viele.

Schnellere Taktung nicht möglich

Auch die Bogestra sieht durch Weichenstellungen in der Vergangenheit derzeit keinen akuten Handlungsbedarf für die U 35. „Seit dem Wintersemester 2012/13 setzen wir am Hauptbahnhof und der Universität zu den Stoßzeiten verstärkt stationäre Kundenbetreuer ein. Sie helfen beim Einstieg und sorgen für einen schnelleren Betriebsablauf“, erläutert Sprecher Christoph Kollmann die jüngste Maßnahme auf der Campus-Linie.

Zudem habe die Bogestra vor einigen Jahren rund zehn Millionen Euro in sechs neue Züge investiert. Durch diese zusätzlichen Fahrzeuge könnten die Bahnen zu Spitzenzeiten im Takt 3-3-6 fahren, also alle drei, bzw. sechs Minuten. Mehr sei – auch in finanzieller Hinsicht – derzeit nicht machbar. Bei allen Planungen rund um die U 35 müssten immer auch die Auswirkungen auf den Gesamtverkehr auf der Universitätsstraße berücksichtigt werden, der die Campus Linie kreuzt.

Die Studenten werden sich weiterhin mit der Campus-Linie in gewohnter Form arrangieren müssen. Bis sich am gesamten Mobilitätskonzept der Ruhr-Uni etwas ändert, dürfte noch einige Zeit vergehen.

Mobilitätsexperte: „Die U 35 hat ihre Kapazitätsgrenze erreicht“ 

Die U 35 gelangt zu den Stoßzeiten an ihre Kapazitätsgrenze. Dieser Ansicht ist auch der Mobilitätsbeauftragte der Ruhr-Universität, Björn Frauendienst. „65 Prozent der Studenten kommen mit dem ÖPNV zur Uni, viele davon mit der U 35“, erläutert der Experte zur Bedeutung.

Um den Zustrom des doppelten Abiturjahrgangs aufzufangen, seien mehrere Projekte umgesetzt worden. „Durch die ,neuen’ Räumlichkeiten in der Innenstadt haben wir die U 35 entlastet.“ Zudem wurden die Vorlesungszeiten einiger Studiengänge entzerrt, um den Zustrom zu Spitzenzeiten zu verringern. Seit dem Wintersemester 2013/14 setzt die Bogestra zusätzliche Busse ein, auch das Fahrradangebot an der Uni wurde ausgebaut.

Die neue Mobilitätsstrategie „Move 2020“ soll den Verkehr zur RUB langfristig verbessern. „Derzeit prüft ein von der Stadt beauftragtes Planungsbüro die Option, den Bochumer Osten direkt mit der Uni zu verbinden, ohne den Umweg über den Hauptbahnhof“, erklärt Frauendienst. Denkbar sei eine Verbindung vom S-Bahnhof Langendreer oder ein Anschluss der Uni an die S-Bahn-Linien auf der Wittener Straße. Bis zu einer möglichen Umsetzung dürfte es noch einige Jahre dauern, schätzt er.