Bochum. . Die neue Bochumer Pop-Akademie bildet ihre ersten sechs Studenten aus. Der Folkwang-Ableger setzt auf kreative Freiräume – und hofft auf Pop-Talente.
Wenn jedem Anfang ein Zauber innewohnt, dann verspürt man ihn gleich hier, an diesem eichenen Tisch. Rechts und links schlichte Bänke, an der Wand eine Küchenzeile. Mittendrin Lena, Dionne und Dennis.
Lauter junge Leute in den Zwanzigern. Vor ihren Laptops sitzend, nebenbei essend. Man könnte diesen Raum für eine WG-Küche halten, aber er ist tatsächlich die kleinste Mensa des Ruhrgebiets. Wir sind in Bochum, im frisch gegründeten Institut für Populäre Musik.
Erst im Oktober nahm der Ableger der Essener Folkwang Hochschule vis-à-vis des Bochumer Kulturzentrums Zeche seinen Betrieb auf, und er hat sich nicht weniger vorgenommen, als Pop-Künstler auszubilden. Pop-Stars besser noch. Die ersten sechs Studenten stecken längst mitten in ihren Projekten. 32 sollen es bald sein, die sich am Ende mit dem Titel "Master of Music" schmücken können.
Ohne Zeitplan ins Tonstudio
Aufbruch-Stimmung allüberall. Im Eingang türmen sich Kartons mit gerade gelieferter Musiktechnik, die Seminarräume wirken noch improvisiert, als warteten sie auf Größeres. Und wenn Lena Danai, die Soul-Sängerin, an ihren Kompositionen arbeiten will, muss sie sich nicht Tage vorher in den Zeitplan für die Tonstudios eintragen. Nein, sie guckt einfach, ob eines frei ist. Und irgendeines der vier ist momentan immer ungenutzt.
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Universitärer Luxus. Auf sechs Studenten kommen elf Dozenten. Allesamt Lehrer, die aus der Praxis kommen. Die selbst Musik machen, die sich mit Plattenfirmen auskennen, mit Musikgeschichte. Die wissen, wie man ein gutes Video entwirft und wie man sich vertraglich absichert.
Leute etwa wie Hazy Haze, der Bassist des Rappers Samy Deluxe. Wie der Kölner Komponist Gregor Schwellenbach, der mühelos E- und U-Musik mixt. Oder wie der Soulsänger Jeff Caskaro, der in Weimar als Professor Gesang lehrt und auch schon mal Möchtegern-Finalisten der TV-Castingshow DSDS coacht.
„Man inspiriert sich gegenseitig“
„Es ist ein Mythos, dass Pop von der Straße kommen muss“, sagt Akademie-Chef Hans Nieswandt und ergänzt: „Mick Jagger, John Lennon, David Bowie und andere haben studiert, viele von ihnen auf Kunsthochschulen“.
Nieswandt, Jahrgang ‘64, ist selbst DJ, Musikproduzent und Autor. Und er findet, dass die Zeit reif ist für „dieses Projekt“. Es gebe kaum noch kleinere Labels, Plattenfirmen eben, die künstlerorientiert seien.
Und genau darum gehe es in Bochum. Den jungen Musikern eine Chance geben, sich zu entfalten, „angstfrei einen eigenen Stil zu entwickeln“.
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So wie Dionne Wudu. Tochter eines Ghanaers und längst ein Musicalstar. "Buddy Holly" in Essen, "Sister Act" in Wien, Stuttgart, Oberhausen. Doch Dionne will mehr. Sie träumt von einer Solo-Karriere, will Songs arrangieren, Texte schreiben. Und genau daran arbeitet sie intensiv.
„Es ist super hier. All die Leute, die hier zusammenkommen, die Dozenten, die Studenten. Man inspiriert sich gegenseitig“, sagt Dionne, die in einem der Tonstudios im Souterrain Songs einsingt.
Zwei Türen weiter, hinter Schallschutz, sitzt Lena Danai. Die 28-Jährige hat Anglistik und Musik auf Lehramt studiert, sich aber dann gegen Schule entschieden. Lange schon tritt sie als Soulsängerin auf. „Aber ich hatte das Gefühl, an meine Grenzen zu stoßen“, sagt sie.
Sie habe sich ohne all zu hohe Erwartungen um den Studienplatz beworben, dann aber, „beim ersten Treffen festgestellt, wer hier unterrichtet. Da war die Vorfreude riesig. Manche kannte ich, manche musste ich googeln. Alles Leute, die lange im Geschäft sind!“, so Lena.
Die Kunstfigur Matthew Wood
Nächste Woche stehen in der Bochumer Akademie Aufnahmeprüfungen für das Sommersemester an. Acht Plätze sind zu vergeben. An Bewerber, die drei Voraussetzungen erfüllen: die einen Bachelor absolviert haben, („egal in welchem Fach, selbst Agrarwissenschaften“, O-Ton Hans Nieswandt), die musikalisch schon was Gutes gemacht haben und ein eigenes Projekt umsetzen wollen.
So wie der Österreicher Matthias Kumer. Der 24-Jährige hat an der Folkwang-Hochschule in Essen Musical studiert, bastelt nun an der Kunstfigur „Matthew Wood“. An dem Singer-Songwriter, der eigene Sachen auf der Bühne umsetzt. „Diese Akademie ist genau das, was ich gesucht habe“, sagt Matthias, alias Matthew, „hier wird einem kein Stempel aufgedrückt. Und das Miteinander ist ein Traum!“