Bochum. Stadtwerke-Chef Bernd Wilmert zieht Bilanz eines nicht ganz leichten Jahres. Lehren habe das Unternehmen aus der „Atrium-Talk-Affäre“ gezogen hat.

Ruhige Zeiten gehen anders. Wenn Energieriesen – wie Eon oder RWE – unsanft aus märchenhaften Goldesel-Träumen hochschrecken und aufwachen in der Welt des Armen Heinrich, sollten kleinere Mitspieler wie die Bochumer Stadtwerke ebenfalls Angstschweiß-Perlen spüren. Oder? „Von Angst kann keine Rede sein“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Bernd Wilmert (62) im Gespräch mit WAZ-Redakteur Michael Weeke.

Es hat ja einen Paradigmenwechsel gegeben, wir sprechen gerne von der Energiewende. Wie wirkt sich das auf ihre Beteiligungspolitik aus?

Bernd Wilmert: Am Beispiel Eon wird klar: Wenn wir alles so weiter laufen lassen wie bisher, dann wird die Energiewende vor die Wand fahren. Wir bauen die Erneuerbaren aus und haben gleichzeitig einen CO2-Zuwachs. Für uns bedeutet das konkret, dass Kraftwerke vom Netz genommen werden, gleichzeitig brauchen wir diese Anlagen als Reserven. Wir haben zwei topmoderne Kraftwerke in Hamm und Lünen, über deren Zukunft wir diskutieren.

Stichwort Windpark Borkum. Über Trianel sind die Stadtwerke ja auch an diesem Projekt beteiligt. Rund läuft dies nicht, woran liegt es?

Wilmert: Der Windpark Borkum steht, die Anlage ist seit Frühsommer dieses Jahres vollkommen fertiggestellt. Aber der Netzbetreiber TenneT schafft es einfach nicht, die Netzanbindung zustande zu bringen. Das Geld bekommen wir derzeit über die Offshore-Haftungsumlage, also indirekt von den deutschen Stromkunden. Das ist eine unbefriedigende Situation. Wahrscheinlich im Frühjahr 2015 soll der Windpark ans Netz gehen. Hoffentlich.

Ist es daher für die Stadtwerke eine Option, auf die avisierte zweite Ausbaustufe zu verzichten?

Wilmert: Das müssen wir im nächsten Jahr diskutieren. Wir müssen aufpassen, dass wir jetzt nicht in eine psychologische Investitionsfalle laufen. Wir wissen jetzt, wie Offshore-Windparks gebaut werden, wir haben ein Umspannwerk für die doppelte Leistung. Die Entscheidung ist offen.

„Die Steag ist topfinanziert“ 

Die Stadtwerke legen immer großen Wert auf Wärmedämmung, weisen auf die vielfältigen Möglichkeiten auch gern in ihrem Kundenmagazin hin. Eigentlich dürfte das ja nicht in ihrem Interesse liegen, es fördert ja nicht gerade den Verbrauch.

Wilmert: Selbstverständlich ist es unsere Aufgabe, die Kunden beim Energiesparen zu beraten. Ob das immer über eine Wärmedämmung gelingt, ist die Frage. In vielen Fällen sollten Hausbesitzer eher einen Heizungstausch in Betracht ziehen und zum Beispiel von Öl auf Gas umsteigen.

Im zu Ende gehenden Jahr war die sogenannte Atrium-Talk-Affäre um den Promi-Vermittler Sascha Hellen noch ein großes Thema. Der Prozess endete mit einem Vergleich. Die Stadtwerke hätten sich womöglich ein anderes Ergebnis erhofft?

Wilmert: Wir haben Lehren, auch durchaus schmerzliche, aus diesem Verfahren gezogen. Wir haben alle Abläufe beim Sponsoring komplett überprüft und Schwachstellen beseitigt. Eine Konsequenz ist, dass wir größtmögliche Transparenz beim Sponsoring gewährleisten.

Vielleicht zu letzterem. Welches erste Fazit können sie ziehen?

Wilmert: Wir haben rund 30.000 Bürger, die sich regelmäßig an der Bürgerabstimmung über das Sponsoring beteiligen. Bislang konnten 130 Projekte ausgewählt und gefördert werden. Wir arbeiten kontinuierlich daran, unser Konzept bekannter zu machen und die Beteiligung weiter zu erhöhen. Zum Thema Manipulation der Internet-Abstimmung: Nach menschlichem Ermessen ist das nicht möglich. Wir haben alle erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Jeder Kunde kann bei uns nur einmal abstimmen.

Es gibt zwei Beteiligungen der Stadtwerke, über die unterschiedlich diskutiert wurde. Zum einen Gelsenwasser, wo das Engagement ein Glücksgriff zu sein scheint. Zum anderen der Energiekonzern Steag, wo die Gewinne, wie man hört, nicht zu fröhlich sprudeln.

Steag macht Ergebnis. Seien wir doch ehrlich, eine Verzinsung von acht Prozent ist ein gutes Ergebnis, das gibt es bei vergleichbaren Anlagen nicht. Natürlich können wir nicht davon ausgehen, dass das immer so bleibt. Die Steag ist topfinanziert und wird in den nächsten Jahren ein Wachstumsprogramm auflegen. Gute Perspektiven sehen wir etwa in nationalen und internationalen Windparks und Geothermie.

„Wir sind dem Wohl der Stadt Bochum verpflichtet“ 

Es gab vor einigen Wochen wieder diese öffentliche Diskussion über die fetten Gehälter der „öffentlichen Bosse“.

Wilmert: Manchmal ist diese Debatte etwas seltsam. Die Verantwortung, die man trägt und die Ergebnisse, die man bringen muss, sollte man schon in Relation zum Gehalt setzen. Wenn die Geschäftsführung die Ergebnisse nicht bringt, die erwartet werden, dann ist die Diskussion im Aufsichtsrat auch nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig – aus verständlichen Gründen.

Noch eine Frage zum Ende des Gesprächs. Es gibt Leute, die nehmen es ihnen nicht ab, dass sie allein aus persönlichen Gründen im Sommer nächsten Jahres vorzeitig in den Ruhestand treten. Was sagen Sie denen?

Wilmert: Es sind ausschließlich persönliche Gründe. Ich gehe auf eigenen Wunsch und habe den Zeitpunkt selbst bestimmt.

Was sollte ihr Nachfolger, ihre Nachfolgerin mitbringen?

Wilmert: Wir gehören zu den größten rein kommunalen Stadtwerken in Deutschland. Daher ist es wichtig, sowohl zu den Mitarbeitern als auch zu den Anteilseignern ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zu pflegen. Wir sind eben ein öffentliches Unternehmen, das nicht ausschließlich auf Gewinnoptimierung aus ist, sondern sich dem Wohl der Stadt Bochum verpflichtet fühlt.